Wien - Die Europäische Zentralbank war bei ihren Rettungsversuchen nicht solidarisch gegenüber EU-Ländern, die nicht zur Eurozone gehören, meinte Julia Kiraly, stellvertretende Chefin der ungarischen Notenbank und Vorsitzende im ersten Panel, bei der Konferenz in Wien.

Iveta Radicova, slowakische Politikerin und ehemalige Arbeitsministerin, konkretisierte ihre Kritik: Die wirtschaftlich starken Länder hätten sich zu lange gegen ein gemeinsames Vorgehen gewehrt, Staatshilfen seien dann großteils in die kurzfristige Sicherung von Jobs geflossen, die langfristig nicht zu retten seien.

Das Thema der Konferenz, zu der das Institut für die Wissenschaften vom Menschen unter anderem zusammen mit dem Standard geladen hatte: Kann die liberale Demokratie die Krise meistern?

In vier Punkten waren sich die Teilnehmer einig: Die Krise hat keine neuen Probleme gebracht sondern nur alte verschärft; Sie ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine soziale Krise; Auch wenn sich die Konjunktur erholt, kommen die Probleme auf dem Arbeitsmarkt erst auf uns zu; Die Sozialdemokratie hat momentan keine Antworten auf diese Probleme.

Zu Beginn wurde der Arbeitsmarkt diskutiert. Der amerikanische Gewerkschafter Ron Blackwell rechnete vor, dass weltweit fünfmal mehr Jobs in der Krise verloren wurden, als Konjunkturpakete geschaffen hätten. Schon vor der Krise sei Arbeit keine Garantie mehr gewesen, genug Geld zum Leben zu haben. Nur strukturelle Reformen könnten diese sozial gefährliche Situation entschärfen. Diese Reformen stellten sich viele Teilnehmer anders vor als die Gewerkschaften: Es brauche ungeschützte Jobs für flexible, gut ausgebildete Arbeiter.

Krise der Sozialdemokratie 

Laut Jennifer Hochschild, Professorin für Politikwissenschaft in Harvard, zeigt die neueste European Social Survey, dass viele Menschen bei sozialen Themen linke, bei gesellschaftlichen Fragen aber rechte Ansichten hätten. Daher würden Wähler von der Mitte zu links- oder rechtspopulistischen Parteien wandern.

Die Krise der Sozialdemokratie war dann auch Thema in der letzten Diskussionsrunde. Stanley Greenberg, Wahlkampfberater von Clinton, Blair und Gusenbauer, gab die Schuld der Politik seit den 80ern, nicht der Krise: Die konservative Parteien hätten sich als Verteidiger des Wohlfahrtsstaates positioniert und so die Mitte-links-Parteien überflüssig gemacht. Die Sozialdemokratie befasse sich nicht genug mit Migrationspolitik. Es fehle ein "postindustrielles Projekt". Und die Sozialdemokraten hätten nichts getan gegen eine Stagnation der Löhne bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum.

Trotz anfänglicher Kritik kam Optimismus trotz Krise auf. Michal Boni, ressortloser polnischer Minister, beschrieb die Stimmung in seinem Land folgendermaßen: "Wir wollen reicher sein, wir sind hungrig nach Erfolg." (Tobias Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2009)