Zwar einigte man sich auf längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Doch der Steuerstreit sorgte für großen Unmut.

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Jeden Tag geht ein bisschen was - wenn es nichts kostet. Unter diesem Motto traf sich am Wochenende wieder die große Koalitionsrunde in Berlin, um offene Fragen des künftigen schwarz-gelben Regierungsübereinkommens zu klären. Einig ist man sich nun über die Energiepolitik. Zwar wollen Union und FDP alternative Energien ausbauen, aber sie möchten auch nicht auf die Atomkraft verzichten.

Diese brauche man noch als "Brückentechnologie" , heißt es. Das bedeutet: Der unter Rot-Grün vereinbarte Ausstieg aus der Atomkraft wird rückgängig gemacht, die Laufzeit der deutschen Meiler wird wieder verlängert. Offenbar will Schwarz-Gelb keine genaue Jahreszahl in den Koalitionsvertrag schreiben. Im Gespräch ist aber eine Verlängerung um bis zu zehn Jahre. Das würde bedeuten, dass das letzte AKW nicht wie geplant 2021, sondern 2031 von Netz geht. Details, etwa wie Reststrommengen verteilt werden, müssen Union und FDP noch ausarbeiten. "Irgendwann" , so Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), werde man dann gänzlich auf Atomkraft verzichten können.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat schon mal laute Proteste auf der Straße gegen die neue Atompolitik angekündigt - nicht nur von Atomkraftgegnern, sondern auch von Beschäftigten im Bereich erneuerbarer Energie, denen dieser Ausbau zu langsam geht. Trittin: "Da werden noch ganz andere Leute auf die Straße gehen als nur die demonstrationserprobten Grünen und Ökos."

Doch die Einigung im Energiebereich wurde am Wochenende von harten Kämpfen um die Steuerfrage überschattet. Am Freitag hatte die FDP ja noch einmal ihre Forderung wiederholt, wonach es Steuerentlastungen in Höhe von 35 Milliarden Euro für die Bürger geben müssen. Die Union hatte Erleichterungen von 20 Milliarden Euro angeboten.

Doch anstatt sich während des Samstags und des Sonntagnachmittags anzunähern, wurde die Atmosphäre immer angespannter. Weil sich zunächst keine Seite bewegen wollte, gingen Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Vorsitzender Guido Westerwelle zum "Beichtstuhl-Verfahren" über: Sie baten die Leiter der Arbeitsgruppen zu sich und zogen sich auch immer wieder zum Sechs-Augen-Gespräch zurück, um die verfahrene Situation aufzulösen.

CDU-Vize Wulff poltert

Aber es gelang ihnen nicht. Teilnehmer berichten, dass Christian Wulff, Ministerpräsident von Niedersachsen, plötzlich die Nase voll hatte und die FDP-Steuerpläne als "realitätsfern" geißelte. Zudem kritisierte er den liberalen "Blindflug" , den das schwarz-gelb regierte Niedersachsen im Bundesrat sicher nicht mittragen werde.

So mancher aus der Runde sah Wulffs Poltern auch an die CDU gerichtet. Denn auch dort sind einige der Meinung, dass man gar nicht so eisern sparen müsse, sondern lieber Geschenke an die Bürger verteilen solle. Doch im Haushalt 2010 klafft schon jetzt ein Loch von 30 Milliarden Euro. Westerwelle reagierte harsch auf Wulffs Kritik. Wenn das die Meinung aller in der CDU sei, sei man wohl "durch" . Doch die Verhandlungen wurden dann nicht abgebrochen, sie dauerten am Sonntagnachmittag an. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD/Printausgabe, 19.10.2009)