Wenn sich Kommentatoren als überzeugte Föderalisten outen, ist Vorsicht geboten. Dahinter verbirgt sich oft nur die Hoffnung, unter dem Deckmantel des wohlmeinenden Föderalisten Attacken leichter anbringen zu können. Den Verdacht wird man auch bei der Lektüre des Gastkommentars des nach eigenem Bekunden "überzeugten Föderalisten" Erhard Busek im Standard vom 15. 10. nicht ganz los.

Ziemlich viel Altbekanntes und Altbackenes wird da zu einem antiföderalistischen Cocktail zusammengemixt: Reformunfähig seien die Länder, nur stark im Nehmen, würden keine Vorschläge für die Verwaltungsreform liefern. An Übernahme von Verantwortung denken sie nicht, gegenüber Steuerhoheit sträuben sie sich. Die Landtage haben sowieso nichts zu tun, beschließen sinnlose Jagd-, Fischerei- und Jugendwohlfahrtgesetze(!). Zu guter Letzt erweist sich der Südosteuropaexperte Busek als fundierter Kenner der staatsrechtlichen Strukturen unseres großen Nachbarn: Das föderalistische Bundesland Bayern ist größer als Österreich und muss sich nicht mit den Ländern herumplagen.

Fangen wir beim letzten Argument an: Busek unterschlägt, dass Bayern in sieben Regierungsbezirke untergliedert ist, in etwa der Größe der österreichischen Bundesländer. Und jeder dieser Bezirke hat sein eigenes, gewähltes Parlament. Dazu kommen 71 Landkreise, vergleichbar mit unseren Bezirkshauptmannschaften, aber nicht nur mit Bezirkshauptmann, sondern mit einem eigenen Kreisparlament. Und dann noch 2056 selbstständige Gemeinden (in Österreich 2350). Was das politische Personal auf der regionalen Ebene betrifft, muss Österreich den Vergleich mit Bayern gewiss nicht scheuen. Nur mit einem Unterschied: In Österreich hat die regionale Ebene was zu sagen, in Bayern nicht.

Nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist Busek auch mit seiner Kritik: Vorschläge zur Verwaltungsreform gibt es auch und gerade von Länderseite, etwa zur Bildungsreform. Sie würden der regionalen Ebene Gestaltungsspielräume verleihen, wie sie jene Länder, die im Bildungswesen erfolgreich sind, (Skandinavien) längst haben. Man kann dazu stehen, wie man will. Man kann auch wider besseres Wissen noch mehr Zentralismus fordern. Aber zu sagen, es kommen von den Ländern keine Vorschläge, ist unfair und falsch.

Ein Kernproblem der Verwaltungsreform in Österreich ist, dass sich keine Regierung an den Projekten ihrer Vorgängerin orientiert, sondern die Verwaltungsreform immer neu erfinden will. Das ist bei unseren kurzlebigen Bundesregierungen ein besonderes Problem. Es gab schon einmal weitgehende Einigkeit über die dringend notwendige Reform der Schulverwaltung. Die Bundesministerin Schmied hat den Konsens über Bord geworfen. Ebenso wurde die notwendige Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Bund beerdigt. Zögerlichkeit der Politik und das Beharrungsvermögen der Bürokratie (vor allem einzelner Bundesbehörden!) haben eine praktisch schon feststehende Reform erfolgreich verhindert.

Natürlich kann man jammern, dass die Ergebnisse des Österreich-Konvents zu den Akten gelegt worden sind. Aber man sollte das nicht den Ländern vorwerfen. Zurück an den Start wollte der Bund - siehe oben! - Freilich kann man auch an den Ländern einiges zu Recht kritisieren: eine zu defensive Rolle in Fragen einer Steuerautonomie (die dann aber auch die Disposition über die Höhe der Einkommens- oder Körperschaftssteuer bedeuten würde und ein Nachdenken darüber, was mit den strukturschwächeren Ländern zu geschehen hätte!) oder Nachlässigkeit in der Umsetzung vereinbarter Reformen durch einzelne (!) Länder. Wer aber nur die Länder für den Stillstand in der Verwaltungsreform verantwortlich macht, befindet sich entweder nicht auf der Höhe der Zeit oder ist schlecht informiert.

Eine letzte Bemerkung: Warum vergleichen die Zentralisten, auch wenn sie überzeugte Föderalisten sind, Österreich immer nur mit Bayern und nicht mit der Schweiz, die in fast allen Rankings vor Österreich liegt? Das Argument, dass die Schweiz kein EU-Mitglied ist, zieht nicht: Sie ist de facto ein Mitglied mit weniger Rechten als ein Vollmitglied und arbeitet dennoch effizienter - und das, weil sie der wohl föderalistischste Staat Europas ist.(Peter Bußjäger, DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.10.2009)