EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach, toute l'Autriche lauschte - beinahe, denn Bundeskanzler Werner Faymann hatte Besseres zu tun und sorgte für Kopfschütteln. Foto: Cremer

Nehm ma doch den Willi: ÖVP-Chef Pröll spitzt auf das mächtige Agrarressort für seinen Vorgänger Molterer. Foto: Cremer

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Nehm ma doch den Willi: ÖVP-Chef Pröll spitzt auf das mächtige Agrarressort für seinen Vorgänger Molterer. Foto: Cremer

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Mir woll'n die Benita: SPÖ-Chef Faymann macht sich bei Barroso für Ferrero-Waldner als Kommissarin stark. Foto: AP/Zak

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Wien - Manchmal bekommen protokollarische Stehsätze, die normalerweise eher nebensächlich sind, unfreiwillig große Bedeutung: "Ich begrüße die Bundesregierung, an der Spitze Herrn Vizekanzler Diplomingenieur Josef Pröll" , sagte Freitagmittag der Vertreter der EU-Kommission in Wien, Richard Kühnel. Einige Zuhörer hoben die Augenbrauen bei diesem Satz.

Im Duett mit seinem Kollegen vom Europäischen Parlament, Wolfgang Hiller, hatte Kühnel eine lange Reihe von Ehrengästen vorzustellen, wie man sie in dieser Geschlossenheit selten sieht. Bundespräsident, wichtige Minister, die Präsidenten aller Sozialpartner, ehemalige Notenbankchefs, der Wiener Bürgermeister, der Gewerkschaftschef, die Industriespitze ebenso wie der Wirtschaftskammerpräsident, viele EU-Abgeordnete. Toute l'Autriche, so schien es, kam zur Eröffnung des neuen Europa-Hauses an der Ringstraße, was sich im Verlauf als eine grundsätzliche europapolitische Demonstration der Republik herausschälte. Am Ende aber beschäftigte die Gäste beim Umtunk vor allem eine Frage: Wo ist der Bundeskanzler? Wie kann er bei solch einem wichtigen Termin für die Europapolitik fehlen?

Alt-Kanzler Franz Vranitzky schüttelte den Kopf, Abgeordnete der SP zeigten sich erstaunt. Immerhin waren aus Brüssel die höchsten Repräsentanten der Union, EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek und Kommissionspräsident José Manuel Barroso, extra angereist. Denn das neue Haus mit einer feinen Glas-Stahl-Konstruktion, erklärte Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner, sei nicht irgendeines: Es sei das erste dieser Art, wie sie die Union in allen Hauptstädten plane - "ein Ort der Durchsichtigkeit, der Transparenz" , ein Haus, das den Bürgern offenstehen solle. Ein Haus, in dem "die Union sichtbar wird, mehr als je zuvor" .

Im Kanzleramt wies man die kursierenden Gerüchte zurück, wonach Faymann nicht gekommen sei, weil die Krone dies für unerwünscht halte und das Europa-Haus kritisieren werde. Faymanns Auftritt sei nie geplant gewesen. Er habe andere Termine, der Präsident vertrete die Republik.

So lag es an Heinz Fischer, eine Art europapolitische Grundsatzrede zu halten, die umso eindringlicher wirkte, eben weil der Kanzler fehlte. Der Kontrast war deutlich: "Ich fühle mich geehrt, dass ich hier sein kann" , hob das Staatsoberhaupt in Anspielung auf die Gäste aus Brüssel an. Er sei "beeindruckt, dass sie durch ihre Teilnahme ein Bekenntnis ablegen zur Fertigstellung dieses Hauses" . Das Haus Europa, die gemeinsamen Ziele, die es zu erreichen gelte - dieses Bild zog sich durch fast alle Reden. Und Fischer dann wörtlich: "Ich freue mich über die Anwesenheit der Bundesregierung."

Schwieriger Prozess

Das Projekt Europa sei "ein schwieriger Prozess, weil viele mitsprechen" , sagte Fischer. Aber er sei überzeugt davon, am Ende werde es "in einzelnen Etappen in Europa zu einem guten Ende kommen" . Zur derzeit kritischen Lage beim Abschluss des Ratifizierungsprozesses des EU-Vertrages von Lissabon betonte er, dass Polen "mit seiner Unterschrift den Respekt davor ausgedrückt hat, dass alle Parlamente und Regierungen bereits zugestimmt haben. In Anspielung auf Tschechiens Präsidenten Václav Klaus hofft er, "dass das alles mitberücksichtigt wird bei den weiteren Entscheidungen" . Europa auf Basis des Lissabon-Vertrages "wird sich leichter tun", meinte der Bundespräsident. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.10.2009)