Wien - Selbst als Mitteleuropa vor 16,5 Millionen Jahren subtropisch war, gab es einen Ablauf von Jahreszeiten. Das kann durch die Untersuchung fossiler Pollenkörner gezeigt werden, berichtet Andrea Kern von der Geologisch-Palaeontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien bei der Jahrestagung der Österreichischen Paläontologischen Gesellschaft. "Pollen bieten für die Paläontologie viele Anwendungsmöglichkeiten, da sie verlässlich über die Pflanzenwelt zu früheren Zeiten informieren", so die Forscherin.

Während der Zellinhalt eines Pollenkorns kurzlebig ist, gehört seine Außenwand zu den stabilsten Materialien der Natur. "Besonders in feinen Sedimenten wie dunklen Tonböden, in die wenig Sauerstoff dringen kann, sind Pollen praktisch unzerstörbar. Sogar von den ersten Landpflanzen vor 420 Mio. Jahren gibt es erhaltene Sporen", so Kern. Um Pollen zu finden, lassen Paläontologen Bodenproben zunächst in Säure baden, wodurch sich mineralische Stoffe auflösen und organische Reste zurückbleiben. Dann erst kann die Bestimmung und Zählung im Mikroskop folgen.

Rückschlüsse

Das Wissen um die Pflanzenwelt in vergangenen Epochen erlaubt Rückschlüsse, wie die Natur und Klima damals aussahen. "Die Pflanzen, von denen die vorgefundenen Pollenkörner stammen, vergleicht man mit heute noch lebenden nächsten pflanzlichen Verwandten. In bestimmten Rückzugsgebieten wie im Südosten der USA, in China oder am Kaukasus gibt es Pflanzen, die vor mehreren Millionen von Jahren auch in Europa heimisch waren, inzwischen hier aber ausgestorben sind", so Kern. Durch die Lebensform dieser heutigen Verwandten könne man auf damaligen Niederschlag, Temperatur und sogar auf die Existenz eines Jahreszeiten-Rhythmus schließen.

Klimaänderungen

Der Wechsel der Pollen-Zusammensetzung in verschiedenen Bodenschichten macht frühere Klimaänderungen sichtbar. Bei Proben aus dem Korneuburger Becken nahe Wien konnte Kern in einer vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Untersuchung zeigen, welche Veränderungen innerhalb von 21.000 Jahren - was paläontologisch eine sehr kurze Zeit ist - stattfanden. "In diesem Gebiet dominierte zunächst das aus Flüssen stammende Süßwasser und bildete Sumpflandschaften mit Sumpfzypressen. Wenig später war die Gegend von einem plötzlich angestiegenen Meer bedeckt, in dem Seesterne und Meeresschnecken lebten", berichtet die Wiener Paläontologin.

Vor knapp eineinhalb Jahren hatte ein internationales Forschungsteam Klima und Vegetation im heutigen Ostösterreich vor rund 18 Millionen Jahren anhand von Pollen rekonstruiert und die Ergebnisse im "Journal of Biogeography" beschrieben. Demnach war es damals ähnlich subtropisch wie heute in Ostchina: Etwa 20 Grad Celsius mittlere Jahrestemperatur, reichlich Regen und ein flaches subtropisches Meer vor der Haustür. (pte/red)