Berlin - Der Kampf gegen die schlimmsten Folgen des Klimawandels ist einer aktuellen Studie zufolge finanzierbar und muss keinen Verlust an Lebensqualität mit sich bringen. Bei langfristiger Planung und gleichzeitig schnellem Handeln sei eine weitgehend Kohlendioxid-freie Wirtschaftsweise für Industrienationen wie Deutschland bis zum Jahr 2050 "möglich und bezahlbar", heißt es in einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Untersuchung der Umweltorganisation WWF. Notwendig seien unter anderem eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz und ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien, die bis 2050 rund 83 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland ausmachen könnten.

Zentrale Handlungsfelder

"Wir werden 2050 gut leben können und dabei kaum noch Treibhausgase produzieren", erklärte die WWF-Klimaexpertin Regine Günther zum Ergebnis der Studie, mit der Experten Wege zu einer 95-prozentigen Verringerung des Treibhausgasausstoßes in den nächsten 40 Jahren aufzeigen wollen. Als zentrale Handlungsfelder nennt die Untersuchung die Stromerzeugung, den Gebäudesektor, den Straßenverkehr und die Industrie.

Eine Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion auf über 80 Prozent erfordere unter anderem den Ausbau der Speicherkapazitäten und neue Marktregeln. Dagegen seien längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und neue Kohlekraftwerke "für das Reduktionsziel überflüssig", hob WWF-Geschäftsführer Eberhard Brandes hervor.

Produkte und neue Technologien

Einen Beitrag zur Reduzierung der Emissionen von Kohlendioxid (CO2) könnten der Studie "Modell Deutschland" zufolge auch klimaschonende Produkte und neue Technologien liefern, beispielsweise Induktionsherde beim Kochen oder wasserfreie Waschmaschinen. Eine deutlich ausgebaute Dämmung könne zudem den Heizwärmebedarf um rund 85 Prozent verringern. Auch führe ein geringerer und gesünderer Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten zu einer signifikanten Senkung unter anderem der Methangasemissionen in der Landwirtschaft.

Die Mehrkosten für die von Experten angemahnte Senkung des CO2-Ausstoßes in den Industrieländern um 95 Prozent lägen laut der WWF-Studie bei durchschnittlich 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dafür müsse die neue deutsche Bundesregierung jedoch langfristig planen und gleichzeitig schnell handeln. Selbst eine ambitionierte Weiterführung der bisherigen deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik führe bestenfalls zu einer Reduzierung um 45 Prozent bis 2050. "Die Berechnung der Treibhausgasemissionen zeigt unmissverständlich, dass Deutschland mit den bisherigen Maßnahmen das geforderte Reduktionsziel dramatisch verfehlen wird", warnte WWF-Klimachefin Günther.

Ziel: Eine realistische Strategie

Mit seiner Studie will der WWF nach eigenen Angaben dem Weltklimagipfel in Kopenhagen im Dezember eine realistische Strategie für eine kohlenstofffreie Wirtschaftsentwicklung bis 2050 vorlegen. "Deutschland könnte damit zum Entwicklungsmodell für andere Länder werden und wieder eine Vorreiterrolle bei den Klimaverhandlungen einnehmen", erklärte WWF-Geschäftsführer Brandes. "Wir müssen diesen Weg nur beschreiten wollen." (APA)