Newsrooms über digitale Plattformen stützen: Die "New York Times" -Onlinechefin Fiona Spruill sucht nach neuen Modellen.

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Auswirkungen der Finanzkrise spürt in den USA aber nicht nur Print, mailte sie Doris Priesching.

STANDARD: Wird es in zehn Jahren eine gedruckte "New York Times" geben?

Spruill: Ich bin zuversichtlich, dass es in zehn Jahren die "New York Times" in Printausgabe geben wird.

STANDARD: Welche Auswirkungen hat die Krise speziell auf Webjournalismus?

Spruill: Die Finanzkrise hat riesige Auswirkungen auf alle Formen von Journalismus in den USA. Für Unternehmen wie The Times verschärfte sich der Druck, mit dem sich viele bereits konfrontiert sahen, als Ergebnis von Anzeigenrückgängen bei Printmedien. The Times hat dem Sturm besser standgehalten als viele andere Zeitungsverlage. Aber der finanzielle Druck ist erheblich.

STANDARD:  Besucher können auf nytimes.com bei Blogs grundsätzlich posten, nicht immer bei Artikeln. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Spruill:  Leser können Blogs und Artikel kommentieren. Bei den Artikeln treffen wir eine Auswahl. Wir verwalten alle Kommentare. Wir stellen dafür eigens Moderatoren ab, so dass wir die Zahl der kommentierbaren Artikel begrenzen müssen. Wir öffnen durchschnittlich zehn neue Artikel oder Kolumnen am Tag für Kommentare.

STANDARD:  Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Webjournalismus?

Spruill:  Die ganz große Herausforderung ist, gegenwärtig ein Geschäftsmodell zu entwickeln, wie man Qualitätsjournalismus in allen Medien unterstützen kann. Weil die Printeinnahmen sinken, müssen wir herausfinden, wie wir unsere Newsrooms über digitale Plattformen unterstützen. Noch ist es unklar, ob das ein anzeigendominiertes Modell, ein Abo-Modell oder eine Mischform sein wird.

STANDARD:  Welchen Rat geben Sie Berufseinsteigern?

Spruill:  Ich kann jedem Berufseinsteiger raten, seine Fähigkeiten zu entwickeln, um im Newsroom der Zukunft erfolgreich zu sein. Zuallererst bedarf es einer soliden Ausbildung und der Fähigkeit, gute Geschichten erzählen zu können - und zwar unabhängig vom Medium, in dem man arbeitet. Darüber hinaus ist auch starkes technisches Können notwendig. Nicht jeder kann gleichzeitig ein brillanter Printreporter, ein fähiger Radiojournalist, ein meisterhafter Videojournalist und ein hervorragender Softwareentwickler sein. Aber je mehr Kenntnisse man von diesen unterschiedlichen Fähigkeiten hat, umso besser.

STANDARD:  Was bevorzugen Sie: Twitter oder Facebook?

Spruill: Ich habe keine Vorliebe. Ich denke, sie sind ziemlich verschieden voneinander, und jedes Instrument hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Twitter ist einfacher und ein großartige Möglichkeit, Reaktionen in Echtzeit zu Nachrichten zu machen. Facebook ist um einiges funktioneller und läuft eher über eine geschlossene Community.

STANDARD: Ihr Lieblingsblog?

Spruill: Selbstverständlich sind die meisten meiner Lieblingsblogs auf nytimes.com. Für Nachrichten mag ich "The Lede" (thelede.blogs.nytomes.com) und "The Caucus" (thecaucus.blogs.nytimes.com). Ich habe ein persönliches Interesse an Essen und bin ein großer Fan von Mark Bittmans "Bitten" (bitten.blogs.nytimes.com). Meine anderen Lieblingsfressblogs sind "Eater" (eater.com) und "Grub Street" (newyork.grubstreet.com). (Doris Priesching/DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2009)