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Auch harte Männer müssen manchmal heulen. Aber halt seltener und kürzer als Frauen.

Foto: AP/Zak

Tel Aviv / München - Das einzige Tier, das zu "echten" Krododilstränen fähig ist, dürfte nach allem, was die Wissenschaft bislang weiß, der Mensch sein. Zwar sondern auch die Reptilien - insbesondere wenn sie fressen - eine tränenartige Flüssigkeit ab. Das dürfte aber weniger geheuchelte Emotion als ein mechanischer Druck auf die Tränendrüse beim Maul-Aufreißen sein, der zur Sekretabsonderung führt (vgl. "BioScience", Bd. 57, S. 615).

Warum Menschen weinen, ist ein bis heute nicht restlos geklärtes Rätsel der Psychologie. Der jüngste Erklärungsversuch stammt vom israelischen Evolutionsbiologen Oren Hasson von der Universität Tel Aviv. Er behauptete in der jüngsten Ausgabe des Fachblatts "Evolutionary Psychology" (Bd. 3, S. 363), dass der Mensch seiner Umgebung durch die Tränen auf unterschiedlichen Wegen Verletzlichkeit und Hilfsbedürftigkeit signalisiert.

Tränen hemmen Gegenüber

Dadurch solle letztlich eine stärkere zwischenmenschliche Bindung erreicht werden, so Hasson, denn neben der Rötung der Augen würden es die Tränen einer anwesenden Person erschweren, die Blickrichtung und Pupillenveränderung des Weinenden festzustellen. Mit anderen Worten: "Informationen über Absichten werden damit zurückgehalten und hemmen das Gegenüber in seinen Absichten."

Wie verhält sich der Tränenfluss je nach Geschlecht? Und schafft er womöglich auch Erleichterung? Diesen und ähnlichen Fragen ging Elisabeth Messmer von der Augenklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München in einem Überblicksartikel in der Fachzeitschrift "Der Ophthalmologe" (Bd. 106, S. 593) nach und räumte mit einigen Vorurteilen auf. Etwa jenem, dass es reinige und guttue, sich auszuheulen.

Wie bisherige Studien gezeigt hätten, gehe es Menschen nach dem Weinen nämlich nicht besser - es sei denn, der Anlass für ihre Tränen ist vorüber. Dass Tränen dazu dienen würden, giftige Stoffe aus dem Körper auszuschwemmen, hält empirischen Befunden ebenfalls nicht stand. Zwar sei es möglich, dabei bestimmte Substanzen auszuscheiden. Doch die Menge ist vernachlässigbar. Auch dass Weinen körperlich entspanne, sei medizinisch nicht haltbar.

Kein Unterschied bei Kindern

Bestätigt hat sich bei der Durchsicht der bisherigen wissenschaftlichen Tränen-Literatur allerdings ein eindeutiger Geschlechterunterschied: Während Buben und Mädchen bis zum 13. Lebensjahr noch ungefähr gleich oft weinen, ändert sich das im Erwachsenenalter drastisch: Männer weinen sechs bis 17-mal pro Jahr, Frauen 30 bis 64-mal. 

Frauen sind dabei auch ausdauernder: Sie lassen durchschnittlich sechs Minuten lang die Tränen fließen, Männer dagegen bringen es maximal auf vier Minuten. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 15. 10. 2009)