Berlin - Der scheidende Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten, Franz Müntefering, sieht in Oskar Lafontaine den Hauptschuldigen für die vernichtende Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl. "Er hat die Partei verlassen, dann verraten und anschließend ganz gezielt gegen uns organisiert", sagte Müntefering in einem am Mittwoch im Voraus veröffentlichten Gespräch mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Der jetzige Vorsitzende der Linkspartei habe die linke Mitte in Deutschland "aus niederen persönlichen Motiven" beschädigt.

Lafontaine wird aus der SPD immer wieder ein Rachefeldzug gegen seine frühere Partei vorgeworfen. Der 66-Jährige war von 1995 bis 1999 SPD-Vorsitzender. Er gab damals abrupt wegen Differenzen mit dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder dieses Amt ebenso wie das Amt des Finanzministers auf.

2005 trat Lafontaine auch aus der SPD aus und führte eine von enttäuschten Gewerkschaftern und ehemaligen Sozialdemokraten gegründete neue Partei in eine Fusion mit den ostdeutschen Reformkommunisten der PDS zur Partei Die Linke.

Nach Ansicht Münteferings hätte die PDS nie eine Chance gehabt, auch in den westlichen Bundesländern aufzutrumpfen, wenn Lafontaine dies nicht organisiert hätte. Wenn man später einmal über die Dimension dieser Jahre spreche, werde sich Lafontaine besonders viel sagen lassen müssen. "Deshalb finde ich die Geschwindigkeit mancher, ihm nun Signale zu senden, dass man miteinander könnte, armselig", sagte Müntefering vor dem Hintergrund der Debatten in seiner Partei über eine Öffnung zur Linkspartei.

Trotz dieses Vorbehalts hält der SPD-Chef ein Linksbündnis im Bund prinzipiell für machbar: "Die Kinder und Enkelkinder der SED müssen in der Demokratie ankommen können. Man kann und darf ihnen die Hand entgegenstrecken." Über Koalitionsoptionen solle die SPD aber erst 2013 entscheiden. (APA)