Mit China wird sich ein Staat mit umfassender Zensur und der höchsten Zahl inhaftierter Autoren und Journalisten als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse vorstellen.

Foto: Michael Probst
Foto: Michael Probst

Nun soll die öffentliche Meinung im Ausland mit einer kulturpolitischen Offensive beeinflusst werden.

***

Pekinger Auslandskorrespondenten bekamen die neue Ausgabe von Qiushi, der Suche nach der Wahrheit, wie die Monatszeitschrift der Kommunistischen Partei Chinas heißt, per Post zugestellt. Es war die erste Ausgabe im Hochglanzformat mit Farbbildern - und auf Englisch. Die Premiere für das Theoriemagazin des Zentralkomitees für den Auslandsgebrauch wirkte wie mediale Begleitmusik für eine von Chinas Führung von langer Hand geplante, kulturpolitische Offensive.

Unter dem Modewort "Softpower" will sie ihrer Stimme im Ausland Gehör verschaffen und Einfluss auf die öffentliche Meinung zu Gunsten Chinas nehmen: bei Medien, im Kulturbetrieb. Heute, Dienstag, setzt Peking dafür zum großen Sprung auf eine neue Plattform an. Mit China wird sich ein Staat mit umfassender Zensur, Internetblockaden und der höchsten Zahl inhaftierter Autoren und Journalisten unter allen Großmächten der Welt, als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse vorstellen.

Chinas Vizestaatspräsident Xi Jinping eröffnet mit Kanzlerin Angela Merkel den fünftägigen Buchmessen-Auftritt seines Landes und wird für Vertrauen in sein Land werben. Und am Wochenende, als die (englische) Suche nach der Wahrheit erschien, eröffnete Staatschef Hu Jintao den von China ins Leben gerufenen Welt-Medien Gipfel in der Großen Halle des Volkes.

Hu forderte die illustren Gäste von 135 internationalen Medienorganisationen - darunter Medienführer wie Rupert Murdoch, Robert Thomson vom Wall Street Journal sowie ein Dutzend Agenturchefs - auf, gemeinsam mit China eine "harmonische Welt" mit "fairer Berichterstattung" zu schaffen. Sie sollten sich "politisch respektieren, einander vertrauen, den anderen als ebenbürtig behandeln" sowie, "ungeachtet aller kulturellen Unterschiede nach Gemeinsamkeiten streben" Pekings Kalkül: daraus eine ständigen international tagenden Medien-Gipfel zu schaffen.

Die neue Strategie, mit einer Vielzahl kultureller und medialer "Go-Global" Initiativen" die Weltmeinung auf die neue Führungsrolle Chinas positiv einzustimmen, haben höchste Parteigremien gebilligt. Vorhut wurden die seit 2004 initiierten Konfuziusinstitute, die Sprache und Kultur Chinas vermitteln und von Peking Anschubfinanzierung, Lektoren und Lehrbücher erhalten. Bis Mitte 2009 wurden 256 Konfuzius-Institute in 81 Länder gegründet. Pekings Staatsrat ließ sich das rund 60 Millionen Euro kosten. Für Kulturinstitute, Medienprojekte, für die Gründung neuer englischsprachiger Zeitungen wie der Global Times stellte der Staatsrat, so die Hongkonger South China Morning Post, einen Sonderetat von 4,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Monopol und Medienordnung

So einfach, wie es Peking Diplomatie heute hat, wenn sie Chinas Interessen in Fragen der Souveränität und bei Handelsstreitigkeiten international erfolgreich vertreten will, geht es bei der Kultur, bei Medien eben nicht zu. Schon der Auftakt zur Frankfurter Buchmesse geriet daher für China zum Fiasko. Auch die Pläne aus dem einmaligen Welt-Medien-Gipfel eine ständige Einrichtung zu machen wurden vertagt.

Vielleicht war auch ein Eigentor Pekings daran schuld. Ausgerechnet in der ersten Ausgabe der in Englisch erscheinenden Qiushi verriet ein Grundsatzartikel, was die Partei von westlichen Nachrichtenagenturen wirklich hält, die sie gerade so herzlich zum Medien-Gipfel einlud. Deren Vorherrschaft und Monopol in der internationalen Medienordnung müssten zugunsten Länder wie Chinas gebrochen werden, damit der Westen mit seinen Vorurteilen nicht mehr die Weltmeinung gegen China manipulieren kann. (Johnny Erling, DER STANDARD/Printausgabe 13.10.2009)