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Der UN-Sondergesandte Kai Eide spricht erstmals von einem "bedeutenden" Wahlbetrug.

Foto: Reuters/Sobhani

Kabul - Zwei Monate nach der Präsidentenwahl in Afghanistan hat die UNO erstmals einen größer angelegten Wahlbetrug eingeräumt. Der UN-Sondergesandte in dem Land, der Norweger Kai Eide, sprach am Sonntag in Kabul von einem "bedeutenden" und weitreichenden Betrug, dessen genaues Ausmaß untersucht werde. Gegen die UN-Mission waren zuletzt Vorwürfe laut geworden, Informationen über die Manipulationen vertuschen zu wollen. Seine Rolle in dem Wahlprozess verteidigte Eide gegen Kritik.

Er wies am Sonntag in Kabul schwere Vorwürfe zurück, die sein inzwischen entlassener Stellvertreter Peter Galbraith gegen ihn erhoben hatte. Nach seiner Absetzung Ende September durch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte Galbraith Eide vorgeworfen, Wahlbetrug verharmlost und Informationen darüber unterdrückt zu haben.

Eide betonte, er habe alle seine Energie darin investiert, den Wahlprozess voranzubringen. "Es ist ein schwieriger Prozess gewesen, beschädigt durch so viele Probleme, nicht zuletzt, wie Sie wissen, durch weit verbreiteten Betrug." Eide betonte, er habe Informationen ständig mit der Wahlkommission (IEC) und der UN-unterstützten Beschwerdekommission ausgetauscht. Er wies zurück, dass er die Maßnahmen der IEC akzeptiert habe, die Präsident Hamid Karzai bereits im ersten Wahlgang zu einer absoluten Mehrheit hätten verhelfen sollen. Im Gegenteil habe er die IEC dazu aufgerufen, das nicht zu tun.

Unregelmäßigkeiten

Unregelmäßigkeiten habe es in einer Reihe von Wahllokalen im Süden und im Südosten des Landes gegeben, "jedoch nicht nur dort", sagte Eide bei der Pressekonferenz, bei der auch die Botschafter der USA, Großbritanniens, Deutschlands, Frankreichs sowie Repräsentanten der EU und der NATO anwesend waren. Wegen der noch laufenden Ermittlungen der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) und der Wahlbeschwerdekommission (ECC) sei es noch nicht möglich zu sagen, wie viele Stimmen gefälscht worden seien. Angaben, nach denen 30 Prozent der Stimmen manipuliert wurden, könne er derzeit nicht bestätigen. "Ich kann nur sagen, es gab weitreichenden Betrug."

Die Wahlen am 20. August waren praktisch von Beginn an von Vorwürfen des Wahlbetrugs überschattet gewesen, der vor allem dem Lager von Präsident Hamid Karzai zur Last gelegt wurde. Laut dem vorläufigen Ergebnis gewann der Amtsinhaber die Wahl mit 54,6 Prozent der Stimmen; sein schärfster Herausforderer Abdullah Abdullah kam auf knapp 28 Prozent. Die Endergebnisse des Urnengangs werden für Ende der Woche erwartet.

Eide wies Vorwürfe zurück, denenzufolge er das Ausmaß der Wahlmanipulationen zu verschleiern versuchte. Der UN-Sondergesandte zeigte sich sichtlich verärgert über entsprechende Äußerungen seines ehemaligen Stellvertreters Peter Galbraith. Dieser habe "in privaten Gesprächen" gemachte Äußerungen missbraucht. Galbraiths Anschuldigungen hätten nicht nur auf seine persönliche Integrität gezielt, sondern auch dem Wahlprozess geschadet, kritisierte Eide.

Eides Stellvertreter war am 30. September von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon entlassen worden. Galbraith hatte mit Hinweis auf die hohe Zahl abgegebener Stimmen in Regionen mit traditionell geringer Wahlbeteiligung öffentlich von weitreichendem Wahlbetrug gesprochen. Seinem Vorgesetzten warf er vor, diese Erkenntnisse bewusst zurückgehalten und nicht einmal den ausländischen Botschaftern in Kabul übermittelt zu haben. Unter Berufung auf Angaben von EU-Beobachtern äußerte Galbraith den Verdacht, dass ein Drittel der Stimmen für Karzai gefälscht worden sein könnten.

Karzais Rivale Abdullah zeigte sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP am Samstag überzeugt von der "Transparenz" der Ermittlungen von IEC und ECC. Diese würden auf eine Stichwahl zwischen ihm und Karzai hinauslaufen, sagte der Politiker. Sollte eine solche Stichwahl notwendig werden, müsste sie nach Ansicht von Experten schnell abgehalten werden: Große Teile Afghanistans werden durch den beginnenden Winter schon bald nicht mehr zugänglich sein.

EU-Wahlbeobachter hatten rund ein Viertel der abgegebenen Stimmen als gefälscht oder zumindest verdächtig eingestuft. Etwa 1,1 Millionen der 1,5 Millionen fraglichen Stimmen waren demnach für Amtsinhaber Hamid Karzai abgegeben worden. (APA)