"Urlaub machen wie die türkische Oberschicht", wirbt ein Veranstalter, der für seine Gäste Reisen in die Region Çesme organisiert. Hier im westlichsten Zipfel von Anatolien bieten sich Baden, Sport und Kulturgenuss an. Rund 30 Kilometer Sandstrand hat die Gegend zu bieten. Nicht alle sind kostenfrei zugänglich, aber überall ist das Wasser kristallklar und mancherorts von Warmwasserquellen durchzogen.
Mildes Klima, Heilquellen und klare Luft zogen schon in der Antike die Wohlhabenden an. Das milde Heilklima an diesem Abschnitt der Ägäis zeichnet sich nämlich durch eine Besonderheit aus: Der Sauerstoffgehalt der Luft soll am höchsten am gesamten Globus sein. Und Sauerstoffreiche Luft erfreut die Atemwege. Früher waren es die Griechen, Römer, Byzantiner, Seldschuken und Osmanen, die diesen Umstand reichlich zur Erholung nutzten - heute tummeln sich hier reiche Geschäftsleute aus Izmir und Istanbul. Zahlreiche Thermalquellen mit ihrem schwefelhaltigen Wasser und einer Durchschnittstemperatur von 41 Grad Celsius versprechen darüber hinaus Linderung für Leidende an Stoffwechsel- und Hautkrankheiten.
Im Sommer geht es hoch her
Das einstige Fischerdörfchen hat sich schon lange zum Szenetreffpunkt mit 37.000 Einwohnern gemausert - zur Hochsaison schwillt das Städtchen auf über 250.000 an. Dann kommt sie - die türkische Oberschicht, die sich hier eingekauft hat und schon lange die Geschicke und Preise der Region bestimmt. Die 80 Kilometer auf der dreispurigen, bestens ausgebauten Autobahn von Izmir aus sind schnell zurückgelegt und mögen vom reichlichen Zuspruch der Städter Zeugnis ablegen.
Wer hier urlaubt, fährt nicht nach Antalya. Auch wenn dort die Massenabfertigung bis zur Perfektion funktioniert und deswegen auch für den Westler ein Schnäppchen darstellt. Hier setzt man auf das gehobene Publikum. Jenes, das Wert auf Kultur und Genuss legt und dafür bereit ist, auch zu zahlen.
Oft zwei Monate verweilt man im Sommer. Dann sind die Häuser hier auch entsprechend teuer. Rund 7.000 Euro blättert der Gast hin, um Sonne, Meer und Wind in der über den Sommer gemieteten Kemenate zu genießen. Der Boden ist gewissermaßen getränkt mit Geschichte. Izmir mischt mit um den Titel die Geburtsstadt Homers zu sein. Die Überreste des legendären homerischen Troja, das antike Pergamon, das nach Alexandria über die zweitgrößte Bibliothek der antiken griechischen Welt verfügen konnte, die Ruinen der alten ionischen Stadt Teos oder am Fuß des Berges Pion die Ruinen der griechisch-römischen Stadt Ephesus (das heutige Selçuk): Wer den Genius loci gerne wirken lässt, hat hier reichlich Gelegenheit. Weiter im Südwesten liegt die Küstenstadt Bodrum, der Geburtsort des antiken Geschichtsschreibers Herodot.
Kein Platz für Langeweiler
Ruhe ist es nicht, was der Gast in erster Linie findet - und wahrscheinlich auch gar nicht sucht. Beachparties rund um die Uhr - zum Tageseintritt um umgerechnet 10 bis 15 Euro - laden den Vergnügungssüchtigen zum Verweilen. 70 bis 100 Euro fallen dann im Durchschnitt noch für Getränke und Essen an. In Aya Yorgi etwa, im Norden von Çesme, findet sich nicht nur die prachtvolle Ayayorgibucht - hier geht es vor allem auch am Abend hoch her. Discos, Restaurants und Bars: Lang und vergeblich hätte sich eine reiche türkische Ansiedlerin gegen die Vergnügungsmeile gewehrt, erzählen die Einheimischen. Jetzt hat sich die Dame durch die Errichtung einer Mauer abgeschottet. Dass sie ihr Anwesen sicher höchst lukrativ losschlagen könnte, mag ihr ein schwacher Trost sein.
Ein Paradies für Surfer und solche die es noch werden wollen, ist Alaçatı-Beach. 300 Tage im Jahr kann hier gesurft werden - der Etesien-Wind (Schönwetterwind) Meltemi machts möglich. Ein Hafen für Bootsbesitzer wurde jüngst eröffnet. Wer das entsprechende Kleingeld mitbringt, kauft sich hier ein "Häuschen" und legt mit der eigenen Yacht gewissermaßen vor der Haustür an. (Regina Bruckner/derStandard.at/20.10.2009)