Wie günstig: Zwei Tage vor dem ersten Haider-Todestag meldet sich ein angeblicher Lebenspartner des verstorbenen Kärntner Landeshauptmanns in der „Bild"-Zeitung mit angeblichen intimen Details zu Wort. Wobei günstig in diesem Zusammenhang mit Sicherheit nicht für die monetäre Seite der Angelegenheit gilt: Der junge Mann wird sich seine Geschichte teuer abkaufen haben lassen (was die Glaubwürdigkeit nicht gerade erhöht).

So weit, so erwartbar: Seit den Tagen nach Haiders Tod waren die Boulevardmedien auf der Suche nach Menschen, die die Gerüchte um die Homosexualität des ehemaligen Kärntner Landeshauptmanns medienwirksam bestätigen. Dass sie Menschen in Hülle und Fülle finden würden, die sich gerne medial darüber auslassen, war zu erwarten.

Für Qualitätsmedien stellt sich die Frage, wie mit solchem Boulevard-Schmuddel umgegangen werden soll. Im Folgenden einige Gründe, wieso Sie auf derStandard.at keine Details aus Haiders Liebesleben - mit wem auch immer - finden werden.

Erstens: Es geht niemanden etwas an. Kein Mensch, auch wenn er Landeshauptmann, rechter Politiker und verheiratet ist, muss sich gegenüber der Öffentlichkeit für seine wie immer geartete Sexualität rechtfertigen - mit zwei Ausnahmen: Wenn er sich entweder für strafbare Handlungen, wie etwa Kindesmissbrauch oder sexuelle Nötigung, verantworten muss. Oder wenn er privat etwas heimlich auslebte, wogegen er politisch öffentlich wetterte. In beiden Fällen besteht ein legitimes Interesse, und die Medien tun gut daran, ihren Auftrag zu erfüllen und die Entdeckungen in die Öffentlichkeit zu bringen. Im Fall Haider trifft beides nicht zu.

So wenig Gruppen es auch gab, die von Haiders populistischen An- und Untergriffen verschont blieben: Gegen Homosexuelle wurde Haider nie ausfällig. Das bestätigten auch Homosexuellen-Organisationen nach seinem Tod.

Ein weiterer Grund: Es gibt keinen Nachrichtenwert. Wer zumindest die elementarsten Grundregeln der journalistischen Arbeit verstanden hat, wird wissen: Es geht - nicht immer, aber oft - bei der Berichterstattung um die Vermittlung einer Neuigkeit, die Nachrichtenwert hat. Berichte darüber, was Haider in welcher Bar, in welchem Bett gemacht hat, gehen seine Ehefrau etwas an, seine Familie, vielleicht seine Freunde. In den Tagen nach dem Unfall ging es auch noch um die Klärung der Unfallursache, insofern hatten Berichte über Alkoholkonsum in der betreffenden Nacht ihre Berechtigung. Heute, ein Jahr später, gibt es - auch wenn manche Verschwörungstheoretiker das gar nicht gerne hören wollen - keine offenen Fragen mehr zu beantworten. Haider verunglückte stark betrunken, nachdem er mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Mit wem und in welcher Situation er vorher trank, ist irrelevant.

Von Haider als Politiker kann man halten was man will, aber dass jetzt Bettdetails eines angeblichen Liebhabers in Medien ausgebreitet werden, ist nicht nur ihm und seiner Familie gegenüber unethisch. Es zeichnet vor allem ein Bild in der Öffentlichkeit, das zumindest unterschwellig andeutet: Das, was Haider tat, war etwas „Verbotenes", nicht „normal". In den geifernden „Bild"- und „Österreich"-Berichten schwingt eine latente Skepsis gegenüber Homosexuellen mit.

Falls noch irgendwelche Zweifel bestehen: Es gibt ein Zeichen, das eigentlich genug darüber aussagen sollte, wie fern von journalistischer Ethik das alles ist: Selbst „Österreich" ist die Veröffentlichung offensichtliche peinlich. In einer Erklärung auf ihrer Homepage rechtfertigt sich die Zeitung für die Übernahme der „Aufdeckung" in Wort und Bild damit, dass ohnehin alle Österreicher die Story auf der Seite der Bild-Zeitung hätten lesen können. Das klingt so, als wäre selbst denen die (fast) ohne Skrupel sind, eine gewisse Grenze bewusst - auch wenn sie sie dann nicht einhalten. (Anita Zielina, derStandard.at, 9.10.2009)