Wien - "Die Leute haben sehr unprofessionell gearbeitet. Das sah nicht aus wie das Vorgehen eines Geheimdienstes", lautet die Einschätzung von Alnur Mussajew. Und der muss es wissen - war er doch selbst früher Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB.

Doch obwohl sich die angeblichen Kidnapper ausgesprochen patschert anstellten, ist Mussajew überzeugt, dass er am 17. Juli just gegenüber dem Wiener Landesgericht entführt und nach Kasachstan gebracht werden sollte. Deshalb wird Mussajew am Freitag auch unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen zur Zeugenaussage ins Wiener Straflandesgericht gebracht. Umringt von Sicherheitswachebeamten und Cobra-Beamten in Zivil. Später sagt Mussajews Chauffeur sogar mit schusssicherer Weste unterm Hemd aus.

Damals, am 17. 7. 2008, habe ihn in der Liebiggasse ein etwa 50-jähriger Mann angesprochen und sich als ehemaliger KGB-Mitarbeiter vorgestellt, berichtet Mussajew im Grauen Haus. Der Mann habe ihn eingeladen, nach Kasachstan zurückzukehren - dann würde ihm Staatspräsident Nursultan Nasarbajew "alles verzeihen". Mussajew war zu diesem Zeitpunkt in Kasachstan unter anderem wegen Hochverrats und versuchtem Staatsputsch angeklagt, wie er berichtet.

In der kleinen Wiener Gasse seien noch zwei weitere Männer dazugekommen und hätten versucht, ihn zu einem dunklen Kombi mit getönten Scheiben zu drängen. Sie sagten, er solle einmal in den Kofferraum schauen.

Mussajew winkte seinem Chauffeur, der in der Nähe im Auto wartete. Als jener sich zur Gruppe gesellte, hätten die drei Männer verstört gewirkt. Und Mussajew sagte, er würde gerne Handy-Nummern tauschen und alles weitere in einem Kaffeehaus besprechen.

Der Anführer der angeblichen Kidnapper habe gesagt, er müsse das "erst mit meinem Vorgesetzten besprechen", berichtet Mussajew - anschließend habe man tatsächlich die Telefonnummern ausgetauscht. Dann sei er gegangen.

Auch nach mehrmaligem Nachfragen durch den vorsitzenden Richter Thomas Schrammel bleibt Mussajew dabei: Niemand habe versucht, ihn am Weggehen zu hindern. Der ehemalige KNB-Chef sagt aber auch: "Ich habe zurzeit sehr produktive Kontakte mit der kasachischen Regierung. Ich glaube, dass wir die Probleme lösen werden können."

Der Chauffeur berichtet, nach diesem Vorfall habe Mussajew nicht die Wohnung gewechselt oder seinen Lebenswandel verändert. Er habe ihm lediglich gesagt, wenn er ihn abhole, solle er vorher schauen, ob die Straße "clean" sei. Und zur Polizei - war Mussajew erst viel später gegangen.

Auf der Anklagebank sitzt Ildar A., der angebliche "Vorgesetzte" des "Entführungs"-Trios. Nach diesen Aussagen stellt Ildar A.s Verteidiger Anton Draskovits einen Enthaftungsantrag - dem der Richtersenat promt zustimmt. In den entscheidenden Punkten - nämlich der versuchten Entführung und der geheimen nachrichtendienstlichen Tätlichkeit - liege kein dringender Tatverdacht vor, begründete Richter Schrammel. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter legt dagegen Haftbeschwerde ein.

Jetzt soll noch versucht werden, den angeblichen Anführer des "Entführungstrios" in Moskau zu einer Aussage in Wien zu bewegen. Der Prozess wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.10.2009)