Wien - Während sich die reiche Welt von den ärgsten Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt, verschärft die Krise die Situation bei den Menschen in den armen Ländern. Olivier De Schutter, UN-Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrung, rechnet damit, dass heuer die Zahl der an Hunger und Unterernährung leidenden Menschen um weitere rund 105 Millionen auf weltweit 1,2 Milliarden steigen wird. Laut FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) befinden sich 30 Länder in einer Ernährungskrise, davon 20 Länder in Afrika, zehn in Asien sowie dem Nahen Osten.

Als besonders bedrohliche Entwicklung bezeichnet er die starke Zunahme von transnationalen Landkäufen ("Land Grabbing" ). Dabei sichern sich Staaten mit wenig Anbauflächen für Nahrungsmittel oder agrarische Treibstoffe (etwa: China, Saudiarabien) Zugang zu Agrarland in Entwicklungsländern. In der Regel werde dabei keine Rücksicht auf die Landrechte der angestammten Bauernschaft genommen, führte De Schutter aus. Mehr noch, diese Verträge verschärfen die Versorgungssituation der Bevölkerung, da die neue Plantagenwirtschaft exportorientiert ist.

"Multilateraler Trustfund"

De Schutter begrüßte die Initiative der G 8, bei der 20 Milliarden Dollar in den nächsten Jahren zur Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft in der Dritten Welt bereitgestellt werden sollen. Langfristig müsse das Ziel sein, dass jedes Land hinsichtlich seiner Lebensmittelversorgung autark wird. Dieses Ziel sei allerdings aufgrund von mehr Dürren wegen des Klimawandels und einer steigenden Weltbevölkerung schwierig zu erreichen ist.

Klar sei allerdings noch nicht, wer die von den G-8 in L'Aquila im Juli in Aussicht gestellten Zahlungen überprüfen wird, sodass sie möglichst punktgenau bei der Bevölkerung ankommen. Möglich sei ein "multilateraler Trustfund" im Einflussbereich der Weltbank, führte De Schutter aus. Anbieten würde sich laut Anton Mangstl von der FAO auch seine Organisation, die, wie er betont, durch einen umfassenden Reformprozess gegangen ist. Weiterhin sei es Wunsch der FAO, dass "2015 kein Mensch mehr unter Hunger leidet".  (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.10.2009)