"In zwei bis drei Wochen" soll der neue Kodex des Österreichischen Werberates stehen, kündigt Präsident Michael Straberger an. Seit rund einem Jahr ist der Werberat neu aufgestellt, rund 90 Mitglieder aus verschiedensten Bereichen entscheiden darüber, ob eine Kampagne dem Kodex des Werberats entspricht. Branchenvertreter diskutierten am Mittwoch im Rahmen der Medienmesse über "Die neue Werbewirklichkeit in Österreich", Werbeverbote und Selbstregulierung.

Wie beurteilt die Kreativbranche den Werberat? Eduard Böhler, Präsident des Creativ Club Austria: "Wir sind nicht der natürliche Feind des Werberats, es gibt aber immer wieder Diskussionsbedarf". Dem 'Werberat alt' habe es an Akzeptanz innerhalb der Kreativszene gefehlt, vor allem weil er auch an seinen Entscheidungen gemessen wurde. Und: "Es hat einige Entscheidungen gebeben, über die sich die Branche aufgeregt hat".

Standards auch für politische Werbung gefordert

Als Beispiel führt Böhler das "Zungenkussplakat" für bet-at-home.com von gantnerundenzi an, hier forderte der Werberat den sofortigten Stopp. Böhler: "Wenn sich zwei Menschen in der Öffentlichkeit mit Zunge küssen, dann ist das etwas Schönes und es ist gesellschaftliche Realität". Selbstregulierung findet er prinzipiell gut. Hier müssten Kreative freilich eingebunden werden. "Wir sehen den Werberat als Diskussionsförderer, der auch immer wieder Inputs gibt". Aber: "Der Werbebranche wird hier ein gewisser Hygienestandard umgehängt, der sehr wichtig ist und auch sein muss. Es ist aber unverständlich, dass die Politik diese Standards nicht einhalten muss". Er findet es "skandalös, wenn auf einem Plakat 'Daham statt Islam' steht, "es wäre wünschenswert, dass sich auch politische Werbung an solchen Standards zu orientieren hätte.

Angelika Sery-Froschauer, sie ist Geschäftsführerin von Sery Creative Communications und Mitglied des Werberates, findet die Qualität österreichischer Werbung grundsätzlich gut, auch funktionere hierzulande die Selbstregulierung. "Dilletantische Arbeiten stammen nicht unbedingt von Agenturen", sagt Sery-Froschauer.

Peter Drössler vom Fachverband Werbung und Marktkommunikation sieht den Werberat seit der Reform gut aufgestellt, "es ist sinnvoll, ein selbstregulierendes System zu haben statt gesetzliche Auflagen. Es geht darum, flexibel zu bleiben, der Werberat entscheidet innerhalb von sechs Tagen, ein gesetzliches Verfahren würde viel länger dauern". Und natürlich sei der Werberat ein System, das sich ständig weiterentwickeln müsse.

Sanktionen

"Wenn wir nicht wollen, dass Werbeverbote ausgesprochen werden, dann muss Selbstregulierung funktionieren. Entscheidungen des Werberates dürfen nicht zahnlos bleiben", so ORF-Enterprise-Chef Walter Zinggl. Es müssten auch Sanktionen folgen. "In allen ORF-Medien werden Kampagnen, die vom Werberat zur Einstellung aufgefordert werden, nicht mehr ausgestrahlt", so Zinggl. Das sei natürlich eine Sanktion, die theoretisch zivilrechtlich angefochten werden könne.

Er wünscht sich, dass auch andere Medien sagen, wir wollen nicht mit einer Kampagne Geld verdienen, die nicht dem Kodex des Werberats entspricht. Für Christian Stögmüller, Verband Österreichischer Privatsender (VÖP), geht es auch um "Selbstschutz" und weist hier darauf hin, dass diskriminierende Werbung nicht nur der Marke sondern auch dem Absender schade. Er hofft, dass der Prozess, der jetzt im Dialog mit der Kreativwirtschaft läuft, in die richtige Richtung geht, "aber auf keinen Fall die Kreativität eingeschränkt wird."

"Es geht um Meinungsfreiheit, nicht nur inhaltlich sondern auch was die kommerzielle Kommunikation betrifft", so Gerald Grünberger vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Dieses Gut müsse verteidigt werden gegen Beschränkungen, auch um die Finanzierung des Medienssystems aufrechtzuerhalten. "Es ist wesentlich, dass wir Selbstbeschränkung forcieren und  zeigen, dass Medien verantwortlich mit kommerzieller Kommunikation umgehen."

"Freedom of Commercial Speech"

Der Werberat agiere klarerweise in einem Spannungsfeld, so Walter Zinggl. "Der 'Freedom of Commercial Speech' darf nicht einer Heuchelei der Gesellschaft zum Opfer fallen". Man dürfe produzieren, distribuieren, konsumieren, aber nicht darüber sprechen. Als Beispiele führt er hier Verbote für Tabak- oder Alkoholwerbung an. Wenn ein Gewerbe angemeldet ist und ausgeübt werden darf (zum Beispiel Bordell), dann müsse es auch möglich, sein, dafür kommerziell zu sprechen. Zinggl: "Klarerweise müssen wir vorsichtig sein, wie wir mit gesellschaftlichen Strömungen umgehen. Die Veränderungen gehören auch im Kodex berücksichtigt."

Drössler: "Werbung ist ein Spiegel der Gesellschaft. Der Werberat kann nicht Speerspitze der Emanzipations- oder Antidiskriminierungsbewegung sein. Die Aufgabe ist es, verlässlich und für alle gleichermaßen dort einzuschreiten, wo es Verstöße gegen den Selbstbeschränkungskodex gibt." (red)