Beim Zusammenstoß von schwere Ionen in einem Teilchenbeschleuniger entstehen unter bestimmten Umständen Doppelblitze von einigen Yoktosekunden Dauer.

Grafik: TU Wien/MPI für Kernphysik Heidelberg

Wien - Schon bald könnte die Genauigkeit von "Zeitmikroskopen" enorm gesteigert werden. Wie Andreas Ipp vom Institut für Theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien gemeinsam mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Nuklearphysik in Heidelberg in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters vorschlägt, könnte über ein sogenanntes Quark-Gluon-Plasma millionenfach kürzere Lichtblitze erzeugt werden als das bisher möglich war, teilte die TU am Dienstag mit.

Mit Hilfe der extrem kurzen Lichtblitzen wollen Forscher Momentaufnahmen vom Innenleben der Atome erhalten. Vergleichbar mit einem Stroboskop-Licht in der Disco werden Bewegungen quasi in Einzelbilder zerlegt, die dann ausgewertet werden können. Je kürzer die Pulse, desto genauer wird die Angelegenheit. Im Bereich der Attosekundenblitze (eine Attosekunde ist ein Milliardstel von einem Milliardstel einer Sekunde oder 0,000000000000000001 Sekunden) wird sogar die Bewegung von Elektronen um den Atomkern erfassbar. Die Wissenschafter sprechen bei der Methode daher auch von einem "Zeitmikroskop".

Völlig neue Wege

Bisher wurden die kürzesten Lichtpulse im Attosekundenbereich erzeugt, indem man Atome mit Laserstrahlen beschoss, deren dabei aufgebaute Energie in Form kurzer Lichtblitze wieder abgegeben wurde. Die nun vorgeschlagene Methode geht völlig andere Wege: "Lässt man schwere Ionen beinahe mit Lichtgeschwindigkeit kollidieren, bilden sie für einen winzigen Sekundenbruchteil ein Quark-Gluon-Plasma, das als Lichtquelle für ultrakurze Pulse dienen kann", erklärt Andreas Ipp vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien.

In einem Quark-Gluon-Plasma, dem Zustand, in dem sich die Materie kurz nach dem Urknall befand, ist die Temperatur so hoch, dass selbst Protonen und Neutronen in ihre Bestandteile "aufgeschmolzen" werden. Die winzigsten Bauteile der Materie - Quarks und Gluonen - bewegen sich dann wirr durcheinander. Heute kann dieser Materiezustand in großen Beschleunigeranlagen, etwa am Europäischen Kernforschungszentrum CERN, experimentell hergestellt werden.

Blitze im Yoctosekunden-Bereich

Während der extrem kurzen Zeit, in dem sich die Ionen bei der Kollision im Quark-Gluon-Plasma-Zustand befinden, können sie Lichtteilchen aussenden. Die Blitze, die dabei entstehen, dauern nur einige Yoktosekunden (zehn hoch minus 24 Sekunden) lang. Das ist etwa die Zeit, die das Licht benötigt, um einen Atomkern zu durchqueren. Solche Zeitskalen sind mit menschlichen Maßstäben kaum zu beschreiben: Die Länge des Pulses verhält sich zu einer Tausendstelsekunde etwa so wie eine Tausendstelsekunde zum Alter des Universums.

Die Lichtpulse sind zwar nicht besonders energiereich, aber weil sie alle ihre Energie in einem einzigen winzigen Augenblick abgeben, erreichen sie in dieser kurzen Zeit eine Leistung von mehreren Terawatt - vergleichbar mit der Leistung aller Kraftwerke der Erde zusammengenommen. (red/APA)