Mercedes-Benz Designchef Gorden Wagener, ...

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... der Innenraum des Concept Cars "BlueZERO E-Cell Plus" ...

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... und der Flügeltürer SMS AMG.

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DER STANDARD: Haben Sie eigentlich noch Zeit zum Zeichnen?

Gorden Wagener: Leider sitze ich sehr viel in Meetings, das ist dann auch meine Zeit zum Skizzieren, was ich immer noch gerne mache, nicht aber während Interviews! Zeichnen ist nicht mehr meine Aufgabe. Meine Jungs können das besser als ich. Die stecken mich mittlerweile in die Tasche. Wie bei jedem guten Sport muss man da im Training bleiben. Meine Aufgabe ist es, Kreativität zu managen. Das heißt auch, ganz klar zu sagen, wo es langgeht. Jeden Tag lasse ich mir zwei Stunden für das Studio eintragen. Mitunter kommen dann doch wieder Meetings dazwischen.

DER STANDARD: Sie gehören einer neuen Generation von Designern an. Trotz Ihrer Jugend können Sie bereits auf eine ungewöhnlich intensive Berufserfahrung verweisen.

Wagener: Mit 40 Jahren bin ich sehr viel jünger, als das für Designchefs bei Mercedes bisher üblich war. Ich habe einen anderen Background. Heute wächst man anders auf. Ich bin im Unternehmen gewachsen.

DER STANDARD: Welche Einflüsse haben Sie da geprägt?

Wagener: Sehr stark hat mich die operative Arbeit beeinflusst, vor allem meine Zeit in den USA. Ich leitete das Studio in Kalifornien und später das Global Advanced Design. Ich liebe die positive Einstellung, mit der man in Amerika Dinge anpackt. Diese Haltung scheint mir unerlässlich, wenn es heute um die Führung im Bereich von Kreativität geht.

DER STANDARD: In Ihrer Geburtsstadt Essen studierten Sie Industrial Design und später am Londoner Royal College of Art Transportation Design; der typische Werdegang für einen europäischen Autodesigner. Weshalb sind Ihre Entwürfe dennoch stark von amerikanischen Styling-Ideen geprägt?

Wagener: Ich habe mich am amerikanischen Zeichenstil orientiert, was nicht bedeutet, dass mein Designstil amerikanisch geprägt wäre, vielmehr ist er emotional. Denn das ist, was man mit dieser Art von Darstellung erreichen will. Der Reiz der dreidimensionalen Skulptur soll bereits im Rendering erkennbar werden.

DER STANDARD: Sie haben vor kurzem gesagt, es sei wichtig, internationale kulturelle Einflüsse aufzunehmen. Gleichwohl stehe die Marke Mercedes für europäisches Design. Was bedeutet für Sie europäisches Design?

Wagener: Mercedes ist eine deutsche, eine europäische Marke. Nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Werte gilt sie international als begehrenswert. Der Mercedes verkörpert ein authentisches Luxusprodukt, so wird er weltweit gesehen, und deshalb wird er nicht nur in Europa, sondern auch in Asien oder den USA gekauft. Wir müssen unsere Identität bewahren. Als deutsches Unternehmen setzen wir auf Longlife, auf langlebiges, beständiges Design. In den USA oder in Asien gibt es eine andere Produktkultur, die weitaus schnelllebiger ist. Autos sind dort oft modisch überzeichnet, was oft schnell langweilig wird. An unsere Autos muss man sich zu Anfang vielleicht stärker gewöhnen, und doch wirken sie während ihres ganzen Lifecycles modern. Je länger man beispielsweise die neue S-Klasse betrachtet, desto moderner empfindet man sie. Mit der E-Klasse haben wir den nächsten Schritt in eine moderne Richtung getan.

DER STANDARD: Was bedeuten deutsche Designtraditionen für Sie? Beispielsweise wird gerade die Gründung des Bauhauses vor 90 Jahren gefeiert ...

Wagener: Das Bauhaus und seine Fortführung, die Hochschule für Gestaltung in Ulm in den 1950er-Jahren oder auch Dieter Rams und Braun, das sind bis heute wichtige Quellen. Wenn Apple diese Schlichtheit heute wieder aufgreift, ist das sehr interessant. Die Farbe Weiß ist auch für uns als neuer Trend hochinteressant. Wenn man um den Globus reist, lernt man, dass das rationale Design einer sehr deutschen Sichtweise entspricht.

DER STANDARD: Spielt rationales Design für Sie dennoch eine Rolle?

Wagener: Wie gesagt, ich glaube, Autodesign sollte emotional sein, das ist auch der Grund, weshalb ich diesen Job ergriffen habe. Rational klingt immer etwas nach Verzicht. Im Sinne eines zunehmenden Umweltbewusstseins sollte man das Thema Mobilität insgesamt rationaler sehen. Was die Antriebe angeht, entwickeln wir beispielsweise effiziente Alternativen. Das sind wichtige Trends, die uns stark beschäftigen. Denn ein effizienteres Auto kann auch emotional sehr reizvoll sein. Wie so etwas aussehen kann, haben wir mit der Studie Blue Zero gezeigt. Wenn wir Harmonie mit der Umwelt anstreben, dann sollte dies erst recht in einer schönen, sinnlichen Form geschehen.

DER STANDARD: Die Autoindustrie steht im Auge des Orkans der Finanzkrise. Hat das Auswirkungen aufs Automobildesign?

Wagener: Zuerst standen die Banken im Orkan und damit früher oder später alle Unternehmen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass wir gestärkt aus dieser Phase herauskommen. Unsere Arbeit ist kaum von der Krise tangiert. Unser Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche hat immer gesagt: An unserer Zukunft werden wir nicht sparen, und das Design ist natürlich die Zukunft. (Thomas Edelmann/DER STANDARD/Rondo/2.10.2009)