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Im "War on Words", Krieg gegen Worte, kommt Tränengas (wie hier nahe Ramallah)
selten zum Einsatz. Behörden beschränken Zugang zur Information im Namen nationaler
Sicherheit.

Foto: Reuters

Schnell kann man eine Katastrophe anrichten, indem man Menschenrechtsstandards aushöhlt", blickt Manfred Nowak im STANDARD-Gespräch zurück auf die Regierungszeit von George W. Bush. "Aber es dauert sehr, sehr lange, bis diese Scherben gekittet sind", sagt der UN-Sonderberichterstatter für Folter und Leiter des Wiener Boltzmann-Instituts für Menschenrechte.

Aus War on Terror wurde rasch "War on Words", Krieg gegen Worte. Damit beschäftigen sich Journalisten, Juristen, Menschenrechtsaktivisten aus aller Welt bis Dienstag bei der gleichnamigen Tagung des Internationalen Presse-Instituts (IPI) in Wien. "Der Krieg gegen den Terror war ein Krieg gegen Bürgerrechte", sagt Hamid Mir, TV-Journalist aus Islamabad.

Die Spannung zwischen Medien, Sicherheit, Terror rührt nicht alleine von Regierungen, die aus echtem oder vorgeschobenem nationalen Interesse den Zugang zu Information und Berichterstattung beschränken. Sie reicht bis zu den Mohammed-Karikaturen einer dänischen Zeitung: "Da haben sich Regierungschefs viel Zeit gelassen, für Meinungsfreiheit einzutreten", sagt IPI-Direktor David Dadge dem STANDARD.

Das Thema umfasst auch die Frage: Wie gehen die Medien mit Terror um - und was ist Terror zu nennen? "Bei den Anschlägen des 11. September brauchen wir darüber nicht zu diskutieren", sagt Gudrun Harrer. Die Nahost-Expertin und leitende Redakteurin des Standard plädiert für den Ausdruck "Gewalt". Was die einen als Terror bezeichnen, definierten die andere als Widerstand.

Wie Gefangene im Auftrag der USA traktiert wurden, etwa in Geheimgefängnissen in Europa, wollten US-Medien nicht als Folter bezeichnen, erinnert Philip Zelikow, der früher die nationale US-Kommission zu Terrorangriffen auf die USA leitete: "Weil Folter einen strafbarer Tatbestand nach dem US-Gesetz bedeutet", sagt der Historiker: "Da kommt man rasch in juristische Debatten, und die Regierung Bush hatte schnell einen Juristen zur Hand, der all das okay nannte." Warum schreiben die Medien also nicht von "physischer Pein" und führen die Debatte auf eine moralische Ebene, wenn es darum gehe, "Menschen zu brechen, ihnen die Menschenwürde zu nehmen".

"Opfer haben es bisher nicht geschafft, Entschädigungen einzuklagen, weil die US-Regierung argumentierte, geheime Dokumente müssten für die Verfahren freigegeben werden", sagt Nowak: "Da gehe nationales Sicherheitsinteresse vor". Da war sie wieder, die nationale Sicherheit, mit der längst nicht nur die USA den Zugang zu Informationen blockiert. Schutz journalistischer Quellen, ist in den USA bisher nicht durch Gesetz garantiert, betont Lucy Dalglish (US-Journalistenkomitee für Pressefreiheit).

"Wiener Erklärung über Terror, Medien und Recht"

Ebenso in dem Spannungsfeld: Medien, die nach 2001 selbst Informationen im Sinne nationalen Interesses zurückhielten. Umgekehrt hätten investigative Medien und Nichtregierungsorganisationen ab 2004 "Kongress und Justiz aufgeweckt", erinnert Nowak, wo "Bush mehr oder minder diktatorisch regiert hat". Da sind wir wieder bei der Unterdrückung von Information im nationalen Interesse.

Peter Molnár, Kommunikationsforscher an der Zentraleuropa-Uni Budapest, widerspricht dem Prinzip: "Einschränkung von Medien- und Meinungsfreiheit fördert keineswegs die Sicherheit von Staaten und Gesellschaften. Ein gefestigter öffentlicher Diskurs auf der Basis allgemein zugänglicher Information fördert die Sicherheit. Die freie Ausübung dieser Kommunikationsrechte ist die stärkste Garantie unserer Sicherheit."

Am Dienstag soll die IPI-Konferenz eine "Wiener Erklärung über Terror, Medien und Recht" verabschieden. IPI-Direktor David Dage erwartet ein "starkes Dokument": "Zugang zu Information kann Terrorismus vorbeugen. Information macht Menschen weniger anfällig für Verschwörungstheorien, nimmt ihnen ihr Gefühl von Ohnmacht", sagt Dadge: "Redaktionelle Unabhängigkeit, freier Zugang zur Information sind Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus. Sie stehen in keinem Widerspruch zur Sicherheit." Er will die Deklaration der EU und dem US-Kongress vorlegen. Die Teilnahmegebühr der Tagung geht in einen Fonds für die Deklaration. Auf einer Facebook-Seite will er diskutieren, wie das Geld eingesetzt wird.

Apropos: Soziale Medien wie Blogs und Twitter, Handy-Kameras stimmen Andrew McIntosh, Medienexperte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, zuversichtlich: "Immer mehr Menschen können Nachrichten produzieren und verbreiten. Das macht sie stärker als die Macht von Regierungen, Informationen zu unterdrücken." (Harald Fidler, Stefan Mayer, DER STANDARD; Printausgabe, 6.10.2009)