Wien - Die Gartengrasmücke (Sylvia borin) ist laut einer Studie dazu fähig, sich im Bedarfsfall quasi medizinisch selbst zu versorgen. Wie Franz Bairlein und Benjamin Metzger vom Deutschen Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven bei der am Montag zu Ende gegangenen internationalen Tagung der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft berichteten, bevorzugen die Vögel bei Parasitenbefall gezielt gesunde, karotinoidreiche Kost. Die Tagung wurde von BirdLife und dem Naturwissenschaftlichen Verein Kärnten in Pörtschach organisiert.

Als sogenannte Langstreckenzieher legen Gartengrasmücken oft mehr als 20.000 Kilometer pro Jahr zurück. Geschwächt durch die Anstrengungen sind die Tiere anfälliger für Parasiten. Doch die Untersuchung der deutschen Forscher belegt, dass sich die Vögel offenbar zu helfen wissen.

Selbstmedikation

In einem Nahrungswahlexperiment wurde die Fähigkeit zur Selbstmedikation untersucht. Konkret testeten Bairlein und Metzger, ob die Vögel bei Befall mit bestimmten Darmparasiten (Kokzidien) ihr Fressverhalten ändern. Das Ergebnis: "Der Anteil an aufgenommener karotinreicher Nahrung stieg bereits am ersten Tag nach Infektion signifikant an und lag am höchstem am vierten Tag nach der Infektion, wenn die akute Phase der Kokzidiose ihren Höhepunkt hat", so Metzger.

Bei einem weiteren Experiment bekamen mit Kokzidien infizierte Gartengrasmücken entweder mit Karotinoiden angereicherte Nahrung in zwei unterschiedlichen Dosen (Versuchsgruppen) oder Standardfutter (Kontrollgruppe). Metzger: "Das Ergebnis war, dass mit Karotin gefütterte Vögel in bestimmten Immunparametern besser abschnitten und eine höhere Produktion an Granulozyten aufwiesen."

Granulozyten sind bestimmte weiße Blutkörperchen. Ihre Funktion liegt vor allem in der unspezifischen Abwehr von Bakterien, Parasiten und Pilzen und wird auch als angeborene Immunantwort bezeichnet. Generell war die Infektionsintensität bei jenen Gartengrasmücken geringer, die im Vergleich zur Kontrollgruppe karotinoidreiches Futter erhielten.

Karotinoide sind natürliche Farbstoffe, die vor allem in rotem und orangefarbenem Obst, Gemüse und in Beeren vorkommen. Sie gelten als Antioxidantien und können im Körper freie Radikale binden, die im Organismus unter oxidativer Belastung - etwa während des Langstreckenzugs - vermehrt entstehen. Nicht zuletzt sind Karotinoide dafür bekannt, die Leistungsfähigkeit des Immunsystems zu verbessern. (red/APA)