"Ich schwöre, ich bin's wirklich!" Chuck Prophet wird am Mittwoch im Wiener Chelsea sein neues Album präsentieren.

Foto: Edel

Grund genug für eine kleine Eloge.

***

Wien - "Wir sind eine Band, die ihre Zukunft schon hinter sich hat." Der Satz stammt von Chuck Prophet, war an die Band Green On Red gerichtet, und diese stand zur Zeit dieser Diagnose mit ihm als Guitariste extraordinaire eigentlich noch bestens im Saft. Wobei bestens natürlich ein geschmäcklerischer Begriff ist, der sich kommerziell nur bedingt niederschlug. Schließlich konnte Green On Red die Erwartungen der US-amerikanischen Kritiker, die Rolling Stones oder zumindest CCR der 1980er zu werden, eher nicht erfüllen. Für eine ergebene und dabei nicht zu kleine Green-On-Red-Fangemeinde diesseits und jenseits des Atlantiks reichte es dennoch.

Zu Beginn der 1990er war diese geschichtsbewusste Reform-Country-Rock-Band mit Punk- und Slacker-Attitüde aus Tucson, Arizona, dann aber tatsächlich Geschichte. Ihrem phlegmatisch-renitenten Wesen entsprechend war sie einfach still und leise zerbröselt. Niemand der verbliebenen Mitglieder - Dan Stuart und eben Prophet - ging mehr zum Telefon.

Seit diesem Nullpunkt ist der aus San Francisco stammende Gitarrist, Sänger und Schöpfer von bisher zehn Soloalben beständig am aufsteigenden Ast. Aber es ist eine Karriere der kleinen Schritte und vielen Umwege, die der mit seiner Keyboarderin Stephanie Finch verheiratete Blondschopf betreibt. Schon lange hat er sich eine Reputation als erlesener Songwriter - etwa für Soul-Gott Solomon Burke - erarbeitet, seine energetischen Live-Auftritte sind meist umwerfend, und sein neues Album ¡Let Freedom Ring! (Cooking Vinyl / Edel) zählt zu den besten Arbeiten seiner Laufbahn.

Nebst seiner Solokarriere ist Prophet einer der umtriebigsten Player im Americana-Segment. In diesem reichlich inflationären Genre zählt er zu den wenigen, die nicht nur schnöde Traditionspflege am Reißbrett betreiben. Seine Musik ist ein Schmelztiegel persönlicher Vorlieben ebenso wie ein offenes System.

Als er Ende der 1990er-Jahre behutsam Sounds aus der elektronischen Trickkiste in einige Stücke einbaute, entzog ihm so mancher Reinheitsgebot-Verfechter die Liebe. Mittlerweile dürften sich diese wieder beruhigt haben. Seine letzten Alben waren durchwegs traditionell instrumentiert, durchwirkt vom erstaunlich jugendlichen Esprit des Mittvierzigers.

Prophets Americana-Entwurf speist sich neben Einflüssen aus dem Country-Rock schon seit den Tagen mit Green On Red auch aus dem Rhythm 'n' Blues. Diese Neigung führte u. a. zu Kollaborationen mit dem weißen Großmeister des Southern Soul, Dan Penn, oder der kürzlich verstorbenen Produzenten-Legende James Luther Dickinson. Mittlerweile tauchen seine Songs in den USA in populären Serien wie The L Word oder True Blood auf, Prophet rockt das Haus beim Late-Night-Talker David Letterman oder spielt kleine Nebenrollen in Independent-Filmen. Daneben ist er gefragter Sessionmusiker für Größen wie Aimee Mann, Jonathan Richman oder Lucinda Williams.

Und im Vorjahr wählte schließlich das als Gesetzbuch aller Americana-Fans geltende Magazin No Depression die unter seinem maßgeblichen Zutun entstandene CD Real Animal von Alejandro Escovedo zum Album des Jahres.

Es läuft also bestens für Prophet, der einst als Grund, Musik zu machen, augenzwinkernd und tiefstapelnd angab: "We're too lazy to work and too nervous to steal."

Ein kleines Meisterwerk

Sein eigenes neues Album ¡Let Freedom Ring!, aufgenommen in einem alten Studio mit ebensolchem Equipment in Mexico City, nennt er lapidar "ein politisches Album für unpolitische Menschen" . Kokett natürlich, aber egal, solange er Weltnummern wie Love Won't Keep Us Apart, Sonny Liston's Blues oder das Titelstück produziert, die in Summe ein kleines Meisterwerk ergeben.

Man merkt schon, über Chuck Prophet gibt es nicht wirklich etwas Schlechtes zu berichten. Man sollte ihn sich also einfach anschauen. Nach vielen Jahren bietet sich am Mittwoch endlich wieder eine Gelegenheit dazu. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 06.10.2009)