1994 hat die UNESCO den 5. Oktober zum Weltlehrertag ausgerufen. Heuer steht dieser unter dem Motto "Build the future: invest in teachers now!". DerStandard.at fragte aus diesem Anlass (angehende) Lehrerinnen und Lehrer, was sie an ihrem Beruf schätzen, welchen Problemen und Schwierigkeiten sie im Schulalltag begegnen und was sie als erstes am Bildungssystem oder ihrem Arbeitsumfeld ändern würden, wenn sie die Chance dazu hätten.

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"Ich habe mir während meiner Schulzeit gedacht, dass ich es einmal besser machen will." Für Peter Arnold, Deutschlehrer an der Wiener Kooperativen Mittelschule (KMS) Kölblgasse, waren die eigenen Erfahrungen ausschlaggebend für seinen Entschluss Lehrer zu werden. "Ich habe schreckliche Prüfungssituationen in Mathematik miterlebt. Unser Professor hat sich darüber lustig gemacht, was man alles falsch macht. In Latein gab es ein zweiwöchiges Prüfungsritual, aber nur für jene mit Vierer und Fünfer. Kaum jemand ist dort einmal durchgekommen."

Wenn Arnold heute über die Beziehung von Lehrern und Schülern nachdenkt, kommt er zu folgendem Schluss: "Das Blatt hat sich um 180 Grad gewendet. Jugendliche und Kinder sind heute unglaublich selbstbewusst, distanzlos und respektlos. Sie haben im Elternhaus oft nicht gelernt, wie man mit Mitmenschen umgeht." Trotz allem gebe es, so Arnold, dann hin und wieder kleine Erfolgserlebnisse im Schulalltag. Dann, wenn Kinder, die sich daneben benommen haben, sich doch eines besseren besinnen und sozial ansprechbarer werden. Ein guter Lehrer muss daher seiner Meinung nach nervenstark und ruhig sein. "Er sollte auf die Kinder eingehen und ihnen ein Vorbild sein. Wissensvermittlung steht erst an zweiter Stelle."

Hätte er einen Wunsch frei, dann würde sich Arnold einen größeren Arbeitsplatz wünschen. "Mehr Platz für meine Unterlagen, aber auch mehr Zeit. Es ist unglaublich stressig. Man hetzt bei einem dichtgedrängten Stundenplan ohne Pause von einer Klasse in die nächste." Die Politik und insbesondere das Bildungsministerium agiert ihm derzeit zu vorschnell und unkoordiniert. "Ich schätze es nicht, übers Fernsehen dienstrechtliche Neuerungen zu erfahren und vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden."

"Mit jungen Menschen ein Stück des Weges zu gehen, ist sehr spannend." Robert Gebhart, derzeit Mathematiklehrer an der Neuen Mittelschule in der Kandlgasse in Wien, steht heute im Klassenzimmer, weil er gerne mit Kindern arbeitet und ihm Bildung ein sehr wichtiges Anliegen ist. Schade findet er es, dass er selbst trotz allem oft gegen Kinderinteressen arbeiten muss. "Viele Kinder wollen nun einmal lieber Fußball oder Computer spielen anstatt sich mit Mathematik zu beschäftigen". Zusätzlich dazu trübt der Aspekt des Beurteilens, der - so Gebhart - dem "Lehrauftrag entgegensteht", die Lehrer-Schüler Beziehungen. Er würde sich eine neue Rollenaufteilung wünschen: Eigene Personen, die ausschließlich lehren und andere, die anschließend abprüfen.

Außerdem seien größere finanzielle Mittel nötig, um kleinere Klassen zu ermöglichen, und mehr Unterstützung von Sozialarbeitern und Psychologen wünschenswert. In Blickrichtung Politik meint Gebhart: "Einigen guten Ideen und Projekten steht die Praxisferne der Ministerin entgegen, die den Lehrern zu schaffen macht. Sie spricht oft über Dinge, von denen sie keine Ahnung hat."

Wenn Kinder im Unterricht kein Interesse zeigen, versucht er dem durch positive Motivation entgegenzutreten, insbesondere in der Unterstufe. "In der Oberstufe muss ich aber dann auch oft trennen in Schüler, denen der Wille anzumerken ist, und jene, die nur in der Schule sitzen, weil es zum Beispiel die Eltern verlangen. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man nur mehr wenig Energie in diese Schüler investiert, weil das Zulasten der interessierten Schüler geht."

Klaus Baumgartner ist heute Direktor einer Linzer Volksschule. Er freut sich, wenn das, was man im Schulalltag aussät, auch Früchte trägt. „Das wird dann bestätigt, wenn man Schüler Jahre später auf der Straße trifft und sie fragt, wie es ihnen geht und sie die Schule in positiver Erinnerung behalten haben." Auch er bestätigt, dass es in den Schulen nicht in erster Linie um die Wissensvermittlung, sondern "vor allem um die Freude am Selbstentdecken, Lernen und selbstständigen Handeln."

Für eine gute Förderung der Kinder seien aber auch die Eltern von Nöten, sagt Baumgartner. "Wenn man wirklich alles dafür tut, den Kindern das Lernen so angenehm wie möglich zu machen, dann aber alleine im Boot sitzt, weil die Eltern nicht mitrudern, kann das schon frustrierend sein." Es komme, so Baumgartner, auch schon mal vor, dass man nach einem Elterngespräch glaubt, die Eltern seien zur Einsicht gelangt, dann aber alles im alten Trott weitergehe.

Von Bildungsministerin Schmied fühlt sich Baumgartner einigermaßen verlassen. "Sie handelt nicht im Interesse der Lehrer, weil sie sich auch nicht nach unserem Befinden erkundigt." Jeder Lehrer sei gerne dazu bereit mehr Stunden in der Schule zu verbringen, wenn auch die entsprechenden Ressourcen gestellt werden, glaubt Baumgartner. "Wir sollen mit immer weniger, immer mehr leisten. Da geht es gar nicht so sehr um den Verdienst, sondern um die Räumlichkeiten und die Arbeitsplätze."

Trotzdem der Beruf ihrer Ansicht nach "in der Gesellschaft überhaupt kein Ansehen mehr hat", hat sich Isabella Sommer dazu entschieden, AHS-Lehrerin für Geographie und Spanisch zu werden. "Hier kann ich etwas für die Gesellschaft tun. Die Kinder sind diejenigen, die mir die Energie geben, die ich für den Beruf brauche. Das muss ein Kreislauf sein. Ich gebe den Kindern etwas und gleichzeitig geben sie mir etwas zurück."

Derzeit werde allerdings viel Erziehungsarbeit, die eigentlich im Elternhaus passieren sollte, auf die Lehrer geschoben. Dadurch trete eine Doppelbelastung auf. "Einerseits soll man den Kindern Bildung vermitteln, andererseits müssen aber Sachen aufgeholt werden, die daheim schon passiert sein sollten" Um sich den Kindern noch besser widmen zu können würde sich die Studentin kleiner Klassen wünschen. "Im Idealfall mit fünf bis zehn Kindern. Das ist zwar sehr utopisch, aber dort würde wirklich etwas weitergehen."

Hätte sie noch einmal die Wahl, würde sie auch jetzt wieder das Studium ergreifen. "Jetzt noch mehr wie früher. In diesem Studium kann man nicht von Anfang an wissen, ob es passt. Man wächst hinein, man braucht Zeit dafür, sich selbst zu entwickeln. Anfangs habe ich mir nicht gedacht, dass es so super wird und ich mich so wohlfühlen werde", erzählt sie. Deshalb hält Sommer auch Eignungsprüfungen vor dem Studium nicht für sinnvoll: "Wenn man merkt, dass man damit nicht zurechtkommt, sollte man soweit sein, selber aufzuhören. Aber ich glaube nicht, dass man im Alter von 18 Jahren schon sagen kann, ob jemand dafür geeignet ist oder nicht."

Die derzeitigen Bildungsreformen empfindet Sommer als typisch "österreichische Lösungen": "Es wird alles nur halb implementiert, ob das die Gesamtschule oder die Zentralmatura ist." Auch sie würde sich mehr Unterstützung von den höchsten politischen Stellen wünschen. "Wenn die Lehrer gute Arbeit leisten sollen, schadet es nicht, wenn man von oben motiviert wird." (Teresa Eder/derStandard.at, 5.10.2009)