Bad Hofgastein - Der jährlich am European Health Forum Gastein vergebene "European Health Award" für grenzüberschreitende Initiativen der Medizin geht heuer an das "Europäische Praxisassessment"(EPA). Dieses Projekt unterstützt den Wissens- und Erfahrungsaustausch unter praktischen Ärzten und trägt damit zur Verbesserung der primären Grundversorgung bei.

"Bei dieser Maßnahme profitieren die Hausärzte durch den Evaluations- und Lerneffekt, außerdem auch alle Stakeholder aus dem Gesundheits- und Präventionsbereich, sowie die Patienten durch bessere Versorgung. Das betrifft vor allem die Behandlung Erkrankter mit chronischen Leiden sowie mit sozialen Benachteiligungen", berichtet Michael Wensing von der medizinischen Universität Nijmegen, der als EPA-Repräsentant den Preis entgegennahm.

Verbesserung der Praxisorganisation

Die EPA-Qualitätsprüfung basiert nicht auf einem Praxishandbuch oder auf Checklisten, sondern auf insgesamt 200 Indikatoren, die durch einen medizinisch kompetenten Prüfer im Rahmen eines Ordinationsbesuchs bewertet werden. Diese umfassen Themenbereiche wie Qualität und Sicherheit, Information, Patientenaufnahme, Fortbildung oder Finanzpläne der Ordinationen, zusätzlich werden vorbereitend 75 Patienten sowie das Praxisteam befragt. Mehrere tausend Ärzte in Deutschland, Niederlande, Belgien, Rumänien, Slowenien, Dänemark, Griechenland, Österreich und der Schweiz haben bisher diese Selbstbewertung durchgeführt. "Die Indikatoren sind nicht die letzte Wahrheit, doch erlauben sie den teilnehmenden Ärzten, ihre Behandlungspraxis zu reflektieren und mit den Ergebnissen anderer zu vergleichen. Denn Vorsprünge oder Rückstände gegenüber der Kollegenschaft werden auf diese Weise ersichtlich", erklärt Wensing. Ziel dieser Maßnahme ist der Austausch und die Verbesserung der Praxisorganisation.

Anreiz Allgemeinmedizin

Hauptanliegen von EPA ist die Stärkung der Allgemeinmedizin. "Mehr Augenmerk auf die hausärztliche Versorgung würde die Gesamtkosten für das Gesundheitssystem senken", betont Wensing. Dabei gehe es nicht bloß um die richtige Zuweisung zu den Fachärzten. "Hausärzte können viele klinische Aufgaben sowie große Bereiche der Vorsorge selbst abdecken, vor allem aber garantieren sie die flächendeckende Versorgung." Die Versorgungslage sei allerdings in vielen Ländern Europas nicht zufriedenstellend. Wensing vermisst Anreize für Ärzte, vermehrt als Allgemeinmediziner tätig zu sein, wobei dieses Problem in den deutschsprachigen Ländern stärker sei als in England, Dänemark und in den Niederlanden. "Das ist einerseits eine Frage des Gehalts, hängt jedoch auch mit den vorgegebenen Bildungswegen zusammen. Während es in den Niederlanden bereits eine dreijährige Spezialisierung auch für Allgemeinmediziner gibt, müssen junge Ärzte in den deutschsprachigen Ländern ihre ersten Erfahrungen im Spital machen, was nur bis zu einem beschränktem Ausmaß für die spätere Berufsausübung relevant ist und wenig zur Motivation beiträgt."

Grenzüberschreitender Austausch

Günther Leiner, Präsident des European Health Forum Gastein, begründet die Preisvergabe mit der guten Strukturierung des Projekts und dessen Beitrag zur Vergleichbarkeit hausärztlicher Versorgung. "Der leider oft vernachlässigte Bereich der Primärversorgung wird somit zum Gegenstand einer breiten internationalen Zusammenarbeit. Durch den grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch und die Übernahme von Best-Practice-Modellen sind enorme Verbesserungen für die europäischen Staaten zu erwarten", so Leiner. Wensing sieht den Preisgewinn als Anerkennung der bisherigen Arbeit des Projektteams sowie auch als Motivation für die Ausweitung des Indikator-Systems auf Bereiche, die weit über die Allgemeinmedizin hinausgehen. "In Vorbereitung sind derzeit Indikatoren für den kardio-vaskulären Bereich. Doch auch für die geistige Gesundheit sowie für die Notfallmedizin wären solche Maßnahmen sinnvoll." (pte)