Singapur - Angesichts der Zerstörungen ist es schwer zu glauben, aber die Seismologen sagen für Sumatra noch weitaus heftigere Beben voraus. "Wir rechnen mit einem Beben im Bereich 8,8", erklärt Seismologe Kerry Sieh von der Nanyang-Universität in Singapur am Donnerstag. Ein solches Beben könnte zehn Meter hohe Tsunamiwellen auslösen, die innerhalb von wenigen Minuten auf die Küste treffen. "Das kann morgen, nächstes Jahr oder in 30 Jahren kommen."

Etwa alle 200 Jahre trete ein Mega-Beben dieses Ausmaßes auf, erklärt Sieh. Vor Sumatra schiebt sich die Ozeanische Erdplatte unter die Sunda-Platte, rund sieben Zentimeter im Jahr. Die Linie zwischen beiden verläuft 250 Kilometer vor der Küste. Dort entsteht Druck, der sich in Brüchen entlädt. "Dann sackt die Platte innerhalb von Sekunden um zehn Meter", sagt Sieh. "Die Spannung entlädt sich in einer Serie von Beben." An anderen Stellen der tausende Kilometer langen Linie ist das schon passiert: beim 9,2-Beben vor fünf Jahren etwa, das im Indischen Ozean den verheerenden Tsunami auslöste, oder auch weiter südlich bei einem 8,7-Beben im Jahr 2005.

"Seismologe Sieh ist durch das jüngste Beben besonders beunruhigt: "Das ist, als ob man einen schlafenden Tiger ins Gesicht boxt", sagte er. Das Epizentrum des Bebens vom Mittwoch lag am Rand der Linie, auf der er das Mega-Beben erwartet. "Wenn eine Region, die so unter Spannung steht, gestört wird, weiß man nie, was passiert", warnt er. "Das ist vielleicht wie bei einem Riss in der Windschutzscheibe: der wird auch bei jeder Erschütterung größer." (APA)