Washington DC - Künftig könnten Röhrenwürmer bei Knochenbrüchen einen wertvollen Klebstoff liefern. WissenschaftlerInnen der University of Utah haben aus einem marinen Röhrenwurm einen Klebstoff entwickelt, der in der Notfallmedizin bei Knochenbrüchen Anwendung finden soll. Anlässlich des National Meeting der  American Chemical Society (ACS) hat das Forscherteam um Russell Stewart die neuesten Erkenntnisse aus der Erforschung der Substanz vorgestellt.

Die Idee gibt es schon lange

Die selbstgebauten Röhren des rund zwei Zentimeter langen Wurms Phragmatopoma californica bestehen aus kleinen Steinen und Muschelstückchen, die er mit einem Klebestoff selbst zusammenleimt. "Der Leim basiert auf komplexen Koazervaten", so Stewart. Koazervaten sind winzige Flüssigkeitströpfchen, die durch Membranen von dem umgebenden Milieu abgegrenzt sind. "Die Idee solche natürlichen Kleber in der Humanmedizin zu verwenden ist schon relativ alt. Bereits in den 1980er Jahren hat man bei der Erforschung von Muschelklebern daran gedacht, diese medizinisch zu verwenden", erklärt der Forscher. Bis heute gebe es jedoch keinen solchen Klebstoff, der im Krankenhaus verwendet werden kann. Derzeit setzt man bei der Heilung von Knochenbrüchen mechanische Verbindungsteile wie etwa Nägel oder Metallplatten und Metallschrauben ein, die so lange im Körper bleiben, bis die Knochen wieder zusammengewachsen sind und Belastungen aushalten. Die großen Teile wolle man mit dem Kleber nicht ersetzen. "Kleine Bruchstücke könnte man jedoch wieder an den Knochen leimen. Wenn die Fragmente zu klein sind, wird es nämlich schwierig, sie mit Hilfsmitteln aus Metall zu befestigen", so der Forscher.

Klebt auch in nasser Umgebung

Stewart und seine Forscherkollegen haben den Klebstoff des Röhrenwurms im Labor nachgebaut und untersucht, ob sich die Substanz auch für medizinische Anwendungen eignen könnte. Der Wurm fischt mit feinen Tentakeln die Bruchstücke für seine Wohnröhre aus dem Wasser und sondert dann den selbstproduzierten Klebstoff ab. Sobald der Leim mit dem Wasser in Berührung kommt, wird er zähflüssig. In diesem Zustand kann der Wurm das Baumaterial auf seine neue Röhre drücken. Nach ungefähr 30 Sekunden härtet die Substanz dann aus. Das Besondere an der Haftflüssigkeit ist, dass sie auch in nasser Umgebung funktioniert. "Obwohl der Kleber sich nicht mit dem Wasser verbindet, ist er doch wasserlöslich", beschreibt Stewart die Vorteile der Substanz. Das Forscherteam hat auch festgestellt, dass der natürliche Kleber auf Änderungen des pH-Wertes reagiert. Dieser Mechanismus wurde auch in der synthetischen Variante des Klebers übernommen.

Ein wesentliches Kriterium für den Erfolg des Knochenklebers wird seine Bioverträglichkeit sein. "Wir sind sehr optimistisch, was das anlangt, denn erste Versuche haben gezeigt, dass der Kleber das umliegende Gewebe nicht angreift." In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher nun untersuchen, wie das Immunsystem des Körpers auf das Material reagiert. "Auch hier gibt es bis jetzt keine Anzeichen dafür, dass die Substanz in irgendeiner Art und Weise problematisch ist." Dennoch rechnen die Wissenschaftler damit, dass es noch einige Jahre dauern wird, ehe der Klebstoff auf den Markt kommt. (pte, red)