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Wer sich ein Netbook zulegt, bekommt meist ein recht blankes Windows-XP-System mitgeliefert, eine Umgebung der man viel nachsagen kann, aber sicher nicht dass sie speziell für die Netbook-Nutzung ausgelegt wurde. Immerhin herrschen in dieser Geräteklasse meist kleine Displays und schlechte Touchpads vor - Voraussetzungen, die die Nutzung von kleinteiligen Interface-Elementen zu einer wahren Pein machen können.

Anpassung

Eine Problematik, die so mancher Hardware-Hersteller schon recht früh erkannt hat, und als Konsequenz daraus das eine oder andere Netbook mit einem speziell angepassten Linux-System ausgeliefert hat. Der Vorteil von Linux liegt dabei in der großen Flexibilität, durch die freie Verfügbarkeit des Codes können sowohl Interface als auch Kernbestandteile an die individuellen Bedürfnisse der Hardware exakt angepasst werden.

Unterschiede

Doch auch sonst gibt es einige gute Gründe, warum Linux gerade für den Netbook-Bereich eine interessante Wahl ist: Probleme mit der fehlenden Unterstützung von einzelnen Hardwarekomponenten spielen kaum eine Rolle, ist hier doch typischerweise meist eine sehr ähnliche Ausstattung verbaut - oft dazu noch von Intel, das selbst im Linux-Bereich äußerst aktiv ist. Zusätzlich werden Netbooks meist nur für ein sehr eingeschränktes Feature-Set benutzt, den Support für aktuelle Spiele erwartet hier sowieso niemand, und für die Web-Nutzung ist Linux ohnehin bestens aufgestellt.

Grafik: Archiv

Und auch wenn Microsoft mittlerweile selbst im Netbook-Bereich eine recht deutliche Dominanz erreicht hat, so einfach wollen sich die Linux-Hersteller nicht geschlagen geben. Gerade in den letzten Monaten hat man eifrig an spezifischen Verbesserungen für das Netbook-Umfeld gebastelt, so dass sich mittlerweile einige interessante Alternativen zum vorinstallierten Betriebssystem bieten.

UNR

Eine der bekanntesten Netbook-Distributionen ist wohl der Ubuntu Netbook Remix (UNR), kein Wunder handelt es sich dabei doch um eine offizielle Variante der Linux-Ausgabe von Canonical. Gleich nach dem Start fallen hier eine Reihe von Optimierungen auf, die den UNR von seinen großen Geschwistern abhebt.

Start

So gibt es ein eigenes Startmenü, das vor allem auf die Nutzung mit kleinen Displays ausgerichtet ist, in der Zielsetzung spricht man davon, dass man sich an Bildschirmdiagonalen unter 10 Zoll orientiert hat. Hier wird in einer Reihe von Kategorien der schnelle Zugriff auf die installierten Anwendungen geboten, dazu kommt noch die Auflistung der wichtigsten Verzeichnisse und eine "Favoriten"-Ansicht.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Was unter diesen "Favoriten" landet, können die NutzerInnen selbst bestimmen, über ein kleines Pluszeichen, das beim Bewegen des Mauszeigers über ein Programm angezeigt wird, kann dieses der Spezialkategorie hinzugefügt werden. Die besondere Relevanz der "Favoriten" ergibt sich auch daraus, dass hier eingeordnete Programme direkt nach dem Start des Betriebssystems angezeigt werden.

Maximum

Eine weitere Besonderheit des UNR ist, dass sämtliche Programme maximiert laufen, also den gesamten Bildschirm einnehmen - vom Panel einmal abgesehen. Auch Fensterdekorationen gibt es keinerlei, die hier sonst angebotenen Informationen und Knöpfe wurden statt dessen in das Panel verschoben.

Designfragen

Durch diese Entscheidung wird weniger vom bei Netbooks typischerweise notorisch knappen, vertikalen Raum verschwendet, als es etwa ein Standard-Ubuntu tut. Insofern also eine äußerst sinnvolle Design-Überlegung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Das Interface ist dabei durchaus ansprechend umgesetzt, allerlei Transparenzeffekte und Übergangsanimationen mögen zwar nicht essentiell sein, tragen aber positiv zum optischen Erscheinungsbild der Netbook-Distribution bei. Dies gilt insbesondere für die Vorversionen des UNR 9.10, in denen bereits offiziell die Humanity-Icons zum Einsatz kommen, die auch das "normale" Ubuntu 9.10 grafisch aufpolieren sollen. Gemeinsam mit dem Dust-Theme ergibt sich so ein recht stimmiger Look, der gerade für das in dieser Hinsicht oft kritisierte Ubuntu einen deutlichen Schritt vorwärts bedeutet.

Online

Neben der Integration des Ubuntu-Software-Stores als zentrale Anwendungsverwaltung, bietet der UNR 9.10 aber noch eine weitere wichtige Neuerung, die gerade für den Netbook-Bereich von besonderem Interesse sein könnte: Über die Anbindung an das Webservice Ubuntu One stehen den NutzerInnen kostenlos zwei Gigabyte Plattenplatz für den Abgleich ihrer Daten zur Verfügung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Freilich befindet sich der UNR 9.10 derzeit noch in der Entwicklung, gelegentliche Probleme sind hier also nicht gänzlich auszuschließen. Wer es etwas konservativer angehen will, der sollte sich neben dem UNR 9.04 auch noch das darauf basierende "Easy Peasy" anschauen.

Ausstattung

Schließlich hat man hier einige weitere Optimierungen gegenüber dem Default-Netbook-Remix vorgenommen. Konkret äußert sich dies vor allem in der Softwareausstattung, will man doch den UserInnen ein System an die Hand geben, bei dem sie keine weiteren Konfigurationsarbeiten mehr vornehmen müssen.

Multimedial

Entsprechend sind Flash sowie die zentralen Video- und Audio-Codecs bei Easy Peasy bereits vorinstalliert. Außerdem findet sich bereits auf der Live-CD die Voice-over-IP-Software Skype sowie die Bilderverwaltung Picasa. Letzere ersetzt das sonst bei Ubuntu mitgelieferte F-Spot, umgekehrt nutzt man statt Rhythmbox Banshee zur Musikverwaltung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für regelrechte Furore im Netbook-Umfeld hat in den letzten Monaten allerdings eine ganz andere Linux-Distribution gesorgt: Mit Moblin hat der Prozessorhersteller Intel sein nicht gerade marginales Gewicht in die Betriebssystemarena geworfen, und hat dabei gleich ganz neue Interface-Wege beschritten.

Aufteilung

So gibt es hier keinen klassischen Desktop, nach dem Boot kommen die BenutzerInnen zunächst einmal auf die m_zone, einer Art individueller Startbildschirm. Hier werden die wichtigsten aktuellen Informationen vereint, von anstehenden Termine, über zuletzt betrachtete Videos oder Webpages bis zu unlängst bearbeiteten Dokumenten.

Updates

Zusätzlich gibt es hier auch den Schnellzugriff auf die wichtigsten Anwendungen, eine Liste die sich freilich frei definieren lässt. In einer eigenen Spalte werden außerdem Status-Updates der eigenen Freunde und Freundinnen präsentiert. Derzeit beschränkt sich dies noch auf Twitter und Last.FM, künftig sollen hier aber auch andere Services integriert werden.

Grafik: Moblin

Anstelle einer fixen Anzahl von "Workspaces" - wie beim klassischen Linux-Desktop - gibt es bei Moblin eine dynamische Nummer von "Zones". Mit jeder neu geöffneten Anwendung wird auch automatisch eine solche "Zone" aufgemacht - und nach dem Schließen selbsttätig wieder geschlossen.

Bedienung

Zentrales Bedienelement ist der Toolbar, der am oberen Bildschirmrand eingeblendet wird. Hier lässt sich zwischen den verschiedenen Zones wechseln, ein Status-Update verfassen, neue Browser-Sessions starten oder auch das lokale Multimedia-Angebot durchstöbern.

Browser

Der mitgelieferte Browser basiert übrigens auf Firefox 3.5, allerdings hat man am UI einige zentrale Änderungen vorgenommen. So gibt es eine Miniaturvorschau aller gerade geöffneten Seiten, auch eine neue Tab-Ansicht ähnlich Google Chrome - mit den beliebtesten Seiten im Überblick - ist implementiert worden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht vermuten würde: Moblin basiert zu weiten Teilen auf den Komponenten des GNOME-Desktops. Das heißt auch, dass hier eine breite Auswahl an GTK+/GNOME-Anwendungen zur Verfügung steht, mittlerweile fügen sich diese auch bereits optisch recht gut in das umliegende System ein, etwa das bei früheren Test-Versionen noch ein Schwachpunkt war.

Animation

Für das effektvoll inszenierte Interface nutzt man die 3D-Bibliothek Clutter, die seit der Übernahme von Opened Hand federführend durch Intel selbst entwickelt wird. Clutter bildet auch die Basis der GNOME Shell, des Kernstücks der für GNOME 3.0 anstehenden Interface-Änderungen, von einer Zusammenarbeit profitieren also beide Welten.

Speed

Moblin lockt aber bei weitem nicht nur mit einem hübschen Interface, auch "unter der Haube" waren die Intel-EntwicklerInnen äußerst aktiv. So ist so ein Moblin-System selbst auf langsamen USB-Sticks innerhalb von wenigen Sekunden fertig gebootet, eine Leistung für die man zahlreiche Optimierungen am Linux-Kernel und am Bootprozess vorgenommen hat. Ein weiterer Grund für die hohe Performance ist, dass sich Moblin voll und ganz auf wenige unterstützte Hardwarekomponenten beschränkt - und da natürlich jene, die das Unternehmen selbst im Angebot hat.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Was für die BenutzerInnen zunächst nach einer erhebliche Einschränkung klingt, wird es aber auf Sicht wohl nicht bleiben. Denn Intel versteht Moblin nur als Basissystem, aus dem andere Distributionen wieder eigene Angebote basteln, eine Möglichkeit, der unter anderem openSUSE, Ubuntu und Mandriva nachkommen wollen. Und hier wird dann wohl auch die Hardwareunterstützung wesentlich breiter werden.

Interface

Aktuell ist erst vor kurzem Moblin 2.0 erschienen, die erste stabile Version mit dem neuen Interface. Allerdings werkelt man bereits eifrig an Moblin 2.1, das noch in diesem Jahr (oder zumindest nur kurz danach) erscheinen soll. Dabei sollen neben der Aufnahme neuer Anwendungen auch ein paar der bisherigen Defizite ausgeräumt werden, wie etwa die noch fehlende Unterstützung von Bluetooth und 3G-Verbindungen. 

Garage

Ein weiterer Neuzugang in Moblin 2.1 wird die "Moblin Garage", eine Art App Store für das Netbook Linux, mit dem sich flott zusätzliche Anwendungen nachinstallieren lassen. Ein weiteres im Schwall der aktuellen Ankündigungen etwas untergegangenes Detail: Microsoft wird seinen Flash-Herausforderer Silverlight auf Moblin portieren, für viele wohl überraschend, ist das mobile Linux doch eine direkte Konkurrenz zu Windows. Dabei handelt es sich übrigens um eine vollständig eigene Entwicklung von Microsoft, die unabhängig von der unter der Ägide von Novell vorgenommenen Open-Source-Implementation "Moonlight" vorgenommen wird.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Einen etwas anderen Weg als die bisher genannten geht gOS: Hier versucht man ein traditionelles Linux-System möglichst tief mit Web-Services zu integrieren. Konkret zielt man dabei auf jene NutzerInnen ab, die schon jetzt einen Großteil ihrer Tätigkeiten mit den unterschiedlichsten Google-Anwendungen vornehmen.

Nebeneinander

So werden denn auch von Haus aus nicht nur die Google Gadgets installiert, lokale und Online-Anwendungen werden auch direkt nebeneinander präsentiert. Möglich wird dies durch die Nutzung von Mozilla Prism, das Web-Services wie normale Programme am Desktop erscheinen lässt. Ein weiterer sich aus dieser Herangehensweise ergebende Vorteile. Die "eigene" GMail-Anwendung kommt - platzsparend - ganz ohne die üblichen Browser-Steuerelemente oder die URL-Zeile aus.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine entsprechend Integration gibt es hier mit einer Reihe von Anwendungen, neben dem schon erwähnten GMail sind das auch Youtube, Google Maps, der Google Reader oder Google Calendar. Den Desktop selbst hat man hingegen bewusst schlank gehalten, immerhin ist aber auch Skype von Haus aus installiert.

Aktualitätsfragen

Das größte Manko von gOS sei allerdings auch nicht verschwiegen, die letzte Release liegt schon einige Zeit zurück, so dass die Basis des System nicht mehr auf dem neuesten Stand ist. Konkret setzt man hier auf Ubuntu 8.04 und GNOME 2.22, etwas das sich vor allem bei der Hardwareunterstützung negativ bemerkbar macht.

Cloud

Dies liegt freilich daran, dass die EntwicklerInnen gerade an dem Nachfolgeprojekt arbeiten, dem "CloudOS", das dann vollständig den Browser - in diesem Fall wohl Google Chrome - in den Vordergrund stellen soll.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In eine ganz ähnlich Richtung soll Jolicloud gehen, da sich das ebenfalls Ubuntu-basierte System derzeit noch im geschlossenen Beta-Test befindet, sei es hier nur am Rande erwähnt.  Hier sollen alle Einstellungen und die benutzten Anwendungen online gespeichert werden, so dass die NutzerInnen auf unterschiedlichen Rechnern selbsttätig weitgehend die selbe Arbeitsumgebung vorfinden. 

Vergleiche

Ein Ansatz, der in seinen Grundzügen stark an die - mittlerweile eingestellten - Bemühungen rund um den GNOME Online Desktop erinnern. Allerdings legt man hier auch äußersten Wert auf ein eigenständiges Interface, das Web und lokalen Desktop verschmelzen lassen soll, etwa in Form eines gemeinsamen Application Stores.

Status

Zusätzlich soll es ein Dashboard geben, über das die neuesten Infos über die Aktivitäten der eigenen Kontakte aus den verschiedensten Kanälen zusammengetragen werden sollen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 04.10.09)

Screenshot: Andreas Proschofsky