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Fliegt ein Flugzeug in einer Gewitterwolke zwischen den Ladungskonzentrationen, kann es Auslöser und Teil einer Blitzentladung werden.

Foto: Patrick Pleul dpa/lbn

Wien - Blitze sind hoch komplexe Ereignisse mit Stromflüssen in alle Richtungen und keine Einbahnstraßen von den Wolken nach unten. Letzteres wurde lange angenommen. Trotz zahlreicher neuer Erkenntnisse in den vergangenen Jahrzehnten sind die physikalischen Vorgänge bei den gewaltigen Entladungen bis heute nicht restlos geklärt. Jüngste Resultate des Physikers und Blitzforschers Vladislav Mazur von der US-Meeres- und Klimabehörde NOAA belegen, dass Gebäude mit einer Höhe von über 150 Metern aktiv Blitze auslösen können.

Durch die neuen Erkenntnisse unterscheidet Mazur auch zwischen natürlichen und von Strukturen (etwa Gebäuden) ausgelöste Blitze, wie der Forscher bei einem Aufenthalt in Wien gegenüber berichtete. Die überwiegende Zahl der natürlichen Blitze ereignet sich dabei innerhalb der Gewitterwolken, in welchen sich immer stärkere Ladungskonzentrationen durch die Turbulenzen im Zuge der Gewitterentstehung einstellen.

Eine typische Verteilung wäre eine Konzentration positiver Ladung in großen Höhen der Wolke. In diesem Bereich liegt der Wasseranteil der Wolke in Form von Eis-Klümpchen vor. Der zentrale Bereich der Gewitterwolke ist dagegen negativ geladen. Am unteren Rand kann sich unter Umständen wieder eine Ansammlung von positiver Ladung einstellen.

Was sich in den Wolken abspielt

Erst durch den Einsatz von Forschungsflugzeugen in den 1980er Jahren konnten die Wissenschafter klären, was sich innerhalb der Wolke wirklich abspielt. Der größte Teil der Blitze ereignet sich innerhalb der Wolke und wird nach außen hin lediglich als mehr oder weniger heftiger Lichtblitz sichtbar.

Fliegt ein Flugzeug in einer Gewitterwolke zwischen den Ladungskonzentrationen, kann es Auslöser und Teil einer Blitzentladung werden, berichtete Mazur. Vom Flugzeug ausgehend, können sich in die Wolke sogenannte Leitblitze bilden - in Richtung negativer Konzentration sind das positive Blitze und in Richtung positiver Konzentration negativ geladene.

Wie und wann es ohne Störung eines Flugzeuges zu solchen Leitblitzen innerhalb der Wolke kommt, gehört noch zu den großen Fragen der Forschung. Tatsache ist, dass diese Entladungen stattfinden. Je heftiger die Blitze und je tiefer die Wolken, desto größer wird auch die Gefahr, dass die Leitblitze aus der Wolke schießen und letztendlich auch den Erdboden erreichen.

"Return Stroke"

Passiert das, so geht das Spektakel im Bruchteil einer Sekunde weiter. Der Leitblitz öffnet gleichsam einen leitenden Kanal zwischen Wolke und Boden, es kommt zum sogenannten "Return Stroke" - eine Art Rückschlag -, in dem dann erst die gewaltigen Stromstärken von zigtausend Ampere fließen. Zum Vergleich: Eine gängige Haushaltssicherung gibt bei zehn oder 16 Ampere auf. In den Leitblitze ist die Stromstärke gering, dagegen herrscht eine hohe Spannung von bis zu hunderten Millionen Volt.

Hohe Strukturen, Berge, aber auch Gebäude über etwa 150 Metern, sind sozusagen nicht mehr darauf angewiesen, dass sie zufällig von einem Blitz getroffen werden. Sie können laut Mazur selbst Leitblitze in Richtung der Gewitterwolken initiieren. So können etwa Türme zehnmal öfter von quasi selbst verschuldeten Blitzen behelligt werden, als von natürlichen.

Menschen werden selten von Blitzen direkt getroffen. Meist ereignet sich der Einschlag mehr oder weniger weit entfernt vom Blitzopfer. Durch die Ladungsflüsse etwa im Boden kann der Organismus dabei dennoch erheblich geschädigt werden. Am sichersten ist es dabei, nur eine möglichst kleine Kontaktfläche zum Boden zu haben. So seltsam es aussehen mag - ideal wäre es, auf einem Bein zu stehen. So "greift man die geringste Spannung ab", wie es im Fachjargon heißt. (APA, red)