Wien - Apollo, Hera und Aphrodite stehen in einem hellen Raum hinter einer weißen Bartheke und schenken Getränke an zwei junge Frauen aus. Zu ihrer Linken vertiefen sich die Schriftsteller Kostas Konstantinos und Daniel Hosenberger in ein letztes Gespräch vor ihrem Auftritt.

Ab 20.30 Uhr stürmt die erste Besucherwelle den Eingang des Vestibüls - ein roter Stempel wird jedem auf den Handrücken gedrückt. Bei Snacks und Getränken ergeben sich kurze Diskussionen, bevor sich der Saal plötzlich bis auf den letzten Platz füllt. 60 Leute kommen wegen des großen Andrangs erst gar nicht hinein. Der im Renaissancestil gehaltene Saal steht in starkem Kontrast zu dem nostalgischen 50er-Jahre-Flair, das die übrige Raumgestaltung versprüht.

Mit einem Donnergrollen ruft der Göttervater Zeus persönlich das Auditorium zur vollen Aufmerksamkeit, fernab von klingelnden Mobiltelefonen und Zigarettenrauch, auf. Sobald Ruhe im Publikum eingekehrt ist, richtet sich das Scheinwerferlicht der Reihe nach auf die anwesenden Götter des Olymp, während Apollo den Zuschauern die Funktionen der mythologischen Gestalten wieder ins Gedächtnis ruft.

Am 26. September fand im Vestibül des Wiener Burgtheaters erstmals das neue Projekt "SchauSpielBar" der Jungen Burg statt. Jugendliche ab 16 Jahren haben dabei die Gelegenheit, ihre Talente einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. "Zielgruppe sind junge Menschen und Junggebliebene", so Barbara Rostek, Organisatorin der Jungen Burg.

Eine bunte Mischung

Die SchauSpielBar öffnet jeden letzten Samstag im Monat ihre Pforten für Darstellungen jeglicher Art. So ergibt sich eine farbenfrohe Palette von musikalischen Darbietungen wie Opernarien oder aktuellen Popsongs über schauspielerische Einlagen bis hin zu literarischen Vorträgen.

Zwölf junge Mitarbeiter begleiten das Burgtheater eine ganze Spielzeit hindurch und haben die gesamte Gestaltung der SchauSpielBar in der Hand. Neben der Moderation der Veranstaltung obliegt es ihnen auch, eigene Darbietungen zu performen, die immer wieder Auflockerung verschaffen.

Die 27-jährige Operngesangs- und Schauspielstudentin Carina Socha nutzt diese Möglichkeit, um "einfach mal eine Arie abzusingen, ein bisschen Erfahrung zu sammeln und überhaupt vor Leuten zu singen". Aufgeregt ist sie nicht, es gehe ja um nichts. Auch ihre Freundin weiß über das Projekt nur Positives zu sagen: "Vor allem ist es kostenlos. Normalerweise muss man ja selbst einen Raum mieten und Werbung machen."

Wie sie wagte sich auch die 16-jährige Xenia Lefèvre spontan und kurzfristig auf die Bühne, um Proud Mary von Tina Turner zum Besten zu geben: "Ich habe mir gedacht: Wenn mich jemand auf der Gitarre begleiten kann, singe ich das gern - das habe ich jetzt ganz spontan in der Pause entschieden. Es hat Spaß gemacht."

Auch Lefèvres 19-jähriger Tischnachbar Seraphim vom Wiener Kindertheater fand den Abend unterhaltsam. In Zukunft könne er es sich auch gut vorstellen, selbst aufzutreten. Seine Kollegin Anna (18) schließt sich dem an: "Es ist auch toll, dass es Leute gibt, die so etwas machen, die Organisation ist auch toll." Beide sind sich einig, dass man auch viel dabei lernen kann. Lehrreich sein wollte auch der 23-jährige Kostas Konstantinos. Der junge Poet trug sechs kurze Gedichte aus seinem Repertoire vor. Eines davon beschäftigte sich mit den verhängnisvollen Konsequenzen, die ein Massenstudiengang mit sich bringen kann.

Die Uni zum Thema gemacht

"An der WU war es eine Katastrophe, weil die Zustände in manchen Studiengängen extrem inhuman sind. Denn dadurch, dass die Uni so überlaufen ist, können sich viele Studenten nicht mehr selbst verwirklichen und gehen total unter - das wollte ich in meinem Text behandeln", erzählt er aus seiner Erfahrung.

Zwar ist Kostas kein antiker Gott, dafür konnte er sich als Halbgrieche gut mit diesem Thema der ersten SchauSpielBar identifizieren. Die Atmosphäre des Vestibüls bestätigte seine Erwartungen an das Publikum, das er zuvor anders einschätze als jenes bei Poetry-Slams und Literatencafés. "Weil natürlich das Burgtheater ein wunderschönes Gebäude ist, ist die Atmosphäre einfach eine andere, als wenn man jetzt in einem Café am Gürtel etwas vorträgt."

Die enorme Anzahl der Besucher hingegen überraschte die Organisatoren. "Das war sehr schwer einzuschätzen, da es ja weder Anmeldung noch Kartenverkauf gab", berichtet Rostek. "Wir haben zwar damit gerechnet, dass es eventuell voll wird, aber dass es so voll geworden ist, ist wirklich super."

Der Grundgedanke des Projekts war es, den jungen Menschen im Theaterjahr so viel Spielraum wie möglich zu lassen, um speziell Jugendliche anzuziehen. Genutzt wurde dieser Spielraum von ihnen etwa bei einer Parodie auf den Erlkönig. "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?" - "Es ist das Würstchen mit seinem Brötchen." Diese Variation der Ballade wurde von den Schauspielern selbst vom Text bis zur Inszenierung erarbeitet. Das begeisterte Publikum würdigte die Darbietung ebenso wie ein kleines Liebeslied, vorgetragen von der Gitarre spielenden Aphrodite und ihrem Sohn Eros unter der musikalischen Begleitung von Artemis.

Jakob, der für diesen Abend den Eros gab, war schon immer ein leidenschaftlicher Theatergänger, allerdings war sein Platz bisher im Publikum. Doch schon lange war es sein Wunsch, "aus der Position des Zuschauers wegzukommen und selber etwas zu machen".

Doch nicht nur die Junge Burg war begeistert, auch Opernsängerin Socha schätzte das "familiäre und zugängliche Publikum", sie wolle im Oktober auf jeden Fall wiederkommen. (Nermin Ismail, Bath-Sahaw Baranow, Ina Bauer/ derStandard.at, 30.9.2009)