Bild nicht mehr verfügbar.

Ältere Arbeitnehmer bringen oft Erfahrung, Fachwissen und soziale Kompetenzen mit: In den kommenden Jahren liegt es am Arbeitsmarkt, diese Ressource zu nutzen

Reuters/Chris Ratcliffe

"In einer Bevölkerung, die älter wird und sich verringert, und in der längere Lebenserwartung steckt, das haben wir uns bislang nur noch nicht klargemacht, viel Fortschrittspotenzial", sagt der Historiker Jürgen Kocka, Sprecher der Akademiegruppe Altern in Deutschland. Die 23 Wissenschafter umfassende Forschungsgruppe kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass sich Wohlstand und Wohlfahrt auch unter neuen demografischen Voraussetzungen erhalten lassen.

Laut Prognosen werden die 45- bis 65-Jährigen bald die größte Gruppe der österreichischen Bevölkerung bilden. In knapp 40 Jahren wird nur mehr die Hälfte der Österreicher jünger als 59 Jahre sein. Die neuen Gegebenheiten werden nur zögerlich von der Wirtschaft berücksichtig: Bei vielen Unternehmen überwiegt beim Stichwort demografischer Wandel ein mulmiges Gefühl. Zu groß sind die negativen Stereotype betreffend älteren Arbeitnehmern. Dass diese auch eine Bereicherung darstellen können, zeigen Projekte aus den vergangenen Jahren.

Ziele der EU

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben sich im Rahmen des Europäischen Rates von Lissabon im März 2001 zum Ziel gesetzt, die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen bis 2010 deutlich – auf zumindest 50 Prozent – anzuheben. Zu diesem Zweck haben sich die größten wirtschaftlichen Interessensvereinigungnen zusammen geschlossen: Arbeiterkammer, Industriellenvereinigung, österreichischer Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer Österreich betreiben gemeinsam eine Datenbank für die lebensaltersgerechte Reorganisation von Arbeitsprozessen unter dem Titel Arbeit und Alter. Ziel der Initiative "Arbeit und Alter" ist es, die 55- bis 64-Jährigen wieder verstärkt in den Arbeitsmarkt einzubinden.

Frühpension

Doch der Wandel müsse auch von den Unternehmen genutzt werden, überkommene unternehmerische Strukturen verhindern das nicht selten. Eine der Ursachen dafür ist, dass in Österreich vor allem seit den 80er-Jahren Frühpensionierungspolitik forciert wurde. Sie basierte auf einem Konsens von Politik, Arbeitgebern und Beschäftigten und zielte darauf ab, Umstrukturierungen möglichst sozial abzufedern. Die Gründe für Frühpensionierung hatten also oft genug nicht mit Leistungsabfall der älteren Arbeitnehmer zu tun, sondern mit firmeninternen Prozessen. Dadurch wurde eine Auseinandersetzung mit der älteren Belegschaft erschwert und wichtige Lernprozesse versäumt.

Ältere Arbeitnehmer in Pflegeberufen

Ein Beispiel für eine gelungene Nutzung der vorhandenen Ressourcen in der Belegschaft ist das Pilotprojekt "meisterhafte Pflegekunst" des Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), auf dessen Basis ein neuer Karriereweg entwickelt werden sollte. Pflegearbeit stellt überdurchschnittliche Anforderungen an das Personal. Neben körperlichen Anforderungen ist es wichtig, dass Krankenpfleger psychologisch leistungsfähig sind, Fachkenntnisse mitbringen und in Krisensituationen rasch entscheiden können - alles Eigenschaften, die ältere Arbeitnehmer im Laufe ihres Berufslebens entwickeln können.

Diese Erfahrungen konnten in althergebrachten Karrierewegen nicht optimal genutzt werden, denn ein beruflicher Aufstieg brachte meist den Rückzug aus dem bisherigen Arbeitsfeld mit sich. Das Pilotprojekt baute auf fünf Kompetenzstufen auf, die ein Pflegender im Laufe seines Berufslebens erwerben kann. Ein Nebeneffekt: Dadurch ergeben sich auch für Berufseinsteiger längerfristige Berufsperspektiven. Nach einer Evaluierung wurde das Modell auf breiter Basis für den Pflegebereich eingesetzt.

Ältere Arbeitnehmer im Supermarkt

Ein anderes Beispiel ist das Projekt der Lebensmittelfiliale ADEG-Gruppe. Mitte 2002 hat in Bergheim in Salzburg ein Supermarkt eröffnet, der auf die Bedürfnisse älterer Konsumenten ausgerichtet war. Daher wurden auch hauptsächlich Mitarbeiter, die älter als 50 Jahre waren, beschäftigt. Diese Idee ging auf eine Kundenbefragung zurück, die ergab, dass ältere Beschäftigte besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Das kann schon durch Kleinigkeiten wie bessere Platzierung der Lebensmittel und bessere Sichtbarkeit der Preisschilder der Fall sein.

Die Filiale Bergheim wurde bis 2003 beobachtet, nach erfolgreichem Testlauf wurde bereits eine weitere in Wien eröffnet. Auch die Mitarbeiter scheinen zufrieden zu sein: In der Anfangsphase einer Filialneugründung verlassen im Durchschnitt ein Drittel der Belegschaft den Betrieb, in Bergheim fiel nur ein Verkäufer krankheitsbedingt aus. (red, derStandard.at, Oktober 2009)