Erich Haider ist ein hochanständiger Mensch. Sagt Werner Faymann. Einer, der Charakterstärke besitzt. Sagt Werner Faymann. Er will den Kollegen in Linz gar nichts vorschreiben, die werden schon wissen, was zu tun ist. Und er vertraut Erich Haider. Sagt Faymann.

So kann man sich irren.

Mag sein, dass Erich Haider ein hochanständiger Mensch ist. Sofern das als Politiker überhaupt möglich ist. Ein Populist, das ist er jedenfalls, aber das muss den persönlichen Anstand ja nicht ausschließen.

Aber Erich Haider macht jetzt einen Fehler. Noch einen. Er kann nicht loslassen, er kann die Niederlage nicht einsehen, er will die Konsequenzen nicht tragen. Er bleibt auf seinem Sessel picken. Und so macht auch Faymann einen Fehler, wenn er seinem Freund Haider vertraut und die Genossen in Linz gewähren lässt.

Die SPÖ mit Erich Haider an der Spitze hat ein Minus von 13,4 Prozentpunkten eingefahren. Sie hat fast ein Drittel ihrer Wähler von 2003 verloren. Sie hat mit 24,9 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis im Land eingefahren. Und Haider war angetreten, um Erster zu werden. Gibt es ein deutlicheres Signal? Was gibt es da nicht zu verstehen?

Und dennoch bleibt Haider. Wie vor ihm Michael Ritsch in Vorarlberg (minus 6,8), Reinhart Rohr in Kärnten (minus 9,7), Hannes Gschwentner in Tirol (minus 10,4) oder Hannes Swoboda im EU-Parlament (minus 9,6). Die SPÖ kann mit Niederlagen nicht umgehen.

Der Vorstand hat ihm das Vertrauen ausgesprochen, lamentierte Haider am Montagabend. Das ist so nicht einmal ganz richtig, weil es im Parteivorstand auch Gegenstimmen gab. Tatsache ist aber, dass Haider offenkundig das Vertrauen der Bevölkerung nicht genießt, da braucht er sich nur die Ergebnisse anschauen. Und nur das sollte für einen Politiker zählen. Auch wenn es schmerzlich ist. Was ein paar geschockte und ratlose Funktionäre dazu meinen, ist nicht relevant.

Haider hat viel für die Partei geleistet, das ist unbestritten, aber jetzt steht er vor den Trümmern seiner politischen Karriere. Wenn Werner Faymann wirklich ein Freund wäre und nicht nur als Dank für die erwiesene Loyalität falsche Rücksichtnahme übt, dann würde er das Haider auch in aller Deutlichkeit mitteilen.

Der kann die Partei nicht reformieren, er hat sie nach bestem Wissen und Gewissen dorthin geführt, wo sie jetzt steht: an den Abgrund. Das ist nicht allein seine Schuld, hängt aber offenkundig auch mit seiner Person zusammen.

Was sich in Oberösterreich abspielt, ist symptomatisch für die Bundespartei: Augen zu und durch. Nichts ändern, keine Konsequenzen, nicht zurückschauen. Hochanständig, das mag auch Werner Faymann sein, wenn er jetzt keinen Sündenbock sucht und kein Personalopfer auf dem politische Altar bringt. Aber ist das klug, sich als die Partei der Verlierer aufzustellen? Und offenkundige Schwachstellen gibt es in der ersten Reihe genug.

Setzt Faymann schon kein Zeichen der personellen Erneuerung, wird er sich wenigstens einer inhaltlichen Diskussion stellen müssen. Aber auch diese versucht er seit Monaten zu unterdrücken. Aus gutem Grund. Faymann kennt seine roten Pappenheimer. In der SPÖ läuft eine solche Debatte meist recht eindimensional: Das soziale Profil zu schärfen heißt nichts anderes als höhere Vermögenssteuern zu fordern, und die "wahren Probleme" anzusprechen läuft stets auf eine Verquickung der Themen Kriminalität und Integration hinaus. Sprich: Ausländer hauen.

Erich Haider und Werner Faymann, da mag der eine anständiger als der andere sein. Aber das hilft ihnen (und der Partei) im politischen Leben nicht weiter. Da kann die Realität ein ganz schön brutales Korrektiv sein. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2009)