Die SPÖ hat zuletzt geradezu katastrophale Wählerverluste erfahren und die Aussichten für 2010 (Wien und Steiermark) sind alles andere als rosig. Neben personellen Spezifika werden vor allem vier Begründungen vorgebracht: Die Konstellation habe sich seit den jeweils vorigen Wahlgängen, wo die SPÖ von ihrem Oppositionsbonus gegenüber der schwarz-blau/orangen Bundesregierung profitieren konnte, verändert; der Populismus und damit die FPÖ sei wieder im Vormarsch; die Kronen Zeitung, ohne deren Hilfe Faymann trotz eines inferioren ÖVP-Wahlkampfs nicht Kanzler geworden wäre, habe ihren einstigen Schützling mit Liebesentzug bestraft; und die SPÖ sei ein Opfer der Finanz- und Wirtschaftskrise. In all dem steckt ein Körnchen Wahrheit, aber für die Erklärung reicht es nicht aus.

Mehr als ein "Bundesmalus"

Natürlich hat die Regierungskonstellation im Bund Auswirkungen auf Landtagswahlen. Andererseits muss sich eine Regierungsbeteiligung im Bund nicht immer gegen eine Landespartei richten (ÖVP-Zugewinne in Niederösterreich 2003 und 2008), wie auch landespolitische Niederlagen oft hausgemachte Ursachen haben (ÖVP-Verluste in Salzburg 2004 und der Steiermark 2005). Die ÖVP hat in allen Wahlgängen seit der Nationalratswahl 2008 (AK, EU, Landtage) recht unterschiedliche Ergebnisse eingefahren. Eine "große Koalition" im Bund ist im Regelfall für - populistische - Oppositionsparteien auf (fast) allen Wahlebenen hilfreich, nur ist nicht ausgemacht, wer die größeren Verluste hinnehmen muss (in den 90er-Jahren oft die ÖVP, 2008-2009 mit einer Ausnahme die SPÖ).

Opfer ist derzeit primär die SPÖ, weil sie 2003-2005 stark von ihrer damaligen Rolle als Oppositionspartei profitiert und sich dabei oft eines populistischen Stils bedient hatte (Erich Haider 2003, Bundespartei 2006 - "Sozialfighter statt Eurofighter" ). Das macht sie dann besonders gegenüber jenen Kontrahenten anfällig, die die "besseren Populisten" abgeben. Wobei es nicht ausschlaggebend ist, ob man den Populismus genuin betrieben hat (Haider) oder sich nur an den boulevardmedialen Populismus angebiedert hat. Nur ist das Risiko im zweiten Fall größer, weil man sich den Stimmungsschwankungen eines greisen Zeitungszaren ausgeliefert hat (und zum Liebesentzug auch noch Spott kommt).

Oppositionszeit nicht genutzt

Die SPÖ hat die Oppositionszeit bis 2006 nicht genutzt, um eigenständigen politischen Gestaltungswillen zu zeigen - Ansätze, wie Gusenbauers "solidarische Hochleistungsgesellschaft" wurden parteiintern schnell wieder abgedreht. Stattdessen wurde auf eine Mischung aus oppositionellem Möchtegern-Populismus und sozialer Wohlfühlpolitik gesetzt, die personellen und substanziellen Reste an Wirtschaftskompetenz wurden abgebaut. Der diesbezügliche Höhepunkt war die Wahlzuckerl-Verteilungsorgie in der Schlussphase des letzten Nationalratswahlkampfs. Mehr oder minder daran beteiligt waren auch die anderen Parteien, nicht zuletzt die ÖVP.

Dennoch war die SPÖ die Hauptträgerin dieser Politik und jetzt zahlt sie die Zeche. Zum einen schreibt man ihr keine nennenswerte Krisenbewältigungskompetenz zu und zum anderen fehlt es in der Krise an Mitteln, um so weiterzumachen. Der breiten Masse schwant, dass die Kosten mitnichten auf die "Reichen/Vermögenden/Spekulanten" beschränkt werden können, womit es den entsprechenden Aussagen der SPÖ-Politiker an Glaubwürdigkeit mangelt. Wohin die Schärfung des "linken Profils" führt, ist in Oberösterreich unter Beweis gestellt worden.

Unglaubwürdig ist auch die "plötzlichen Erkenntnis" , es gebe "Probleme in der Ausländer- und Integrationspolitik" und die beinahe wortidente Übernahme von Dingen, die man gestern noch lautstark verdammt hatte ("Vertrag über Rechte und Pflichten" ). Unglaubwürdig ist die generell "strikte" Abgrenzung zur FPÖ - die erfolgt nämlich nur dort wo sie billig ist (im Bund, wo keine Wahlen anstehen), dort wo sie teuer zu stehen hätte kommen können (Oberösterreich) oder noch kommen könnte (Steiermark), hört(e) man anderes.

Die SPÖ steht hier nicht alleine, nur ist bei ihr die Kluft zwischen den moralisierenden Sonntagsreden und unverhohlenen Anmacheversuchen so groß, dass sie dem "SPÖ-Fußvolk" nicht verborgen bleiben kann, und warum soll dieses mit dem Stimmzettel nicht das tun (dürfen), was die Landeshäuptlinge selbst bei Bedarf tun (wollen).

Werte wie CDU/CSU

Die Strache-FPÖ kann sich die Hände reiben, und die Regierungsparteien können von Glück reden, dass die FPÖ trotz und nicht wegen der Wirtschaftskrise gewählt wird.

Zwar hat auch die ÖVP einen Schwenk zu mehr Regulierung und Staatsinterventionismus vollzogen, nur wurde der vom Gros der Bevölkerung als situationsadäquat angesehen. Sprich: von den Regierungsparteien gilt die Volkspartei derzeit als lernfähig wo notwendig, und konsequent wie beharrend wo gewünscht. Ähnliches gilt im Übrigen für die CDU in Deutschland.

Der ÖVP steht die eigentliche Bewährungsprobe noch bevor - wenn die Kosten der Krisenbewältigung (und der von ihr mitgetragenen Rücknahme unpopulärer Reformen etwa im Pensionsbereich) abbezahlt werden müssen. Dann werden die wirklichen Konflikte ebenso kommen - mit dem Regierungspartner, aber auch mit eigenen Landespolitikern und der parteiinternen "Wohlfühlfraktion" (die derzeit vom Chef der Parteisenioren angeführt wird, aber bei weitem nicht auf ihn beschränkt ist) - wie auch die Notwendigkeit von und die Widerstände gegen unpopuläre Maßnahmen. (Peter A. Ulram, DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2009)