Grafik: DER STANDARD

Wien - Der Konjunktureinbruch reißt immer größere Löcher in den Staatshaushalt. Weil viele Unternehmen wegen schwacher Nachfrage teils weit unter ihren Möglichkeiten wirtschaften, bleiben die Steuereinnahmen der Republik hinter den Planungen zurück. Allein die Einnahmen aus der Körperschaftssteuer, die von den Unternehmen an den Staat gehen, sind bis August 2009 um 1,3 Mrd. Euro oder knapp 40 Prozent auf zwei Milliarden Euro geschrumpft.

"Es gibt eine Abweichung zu den Planzahlen, aber die ist nicht so dramatisch", hieß es im Büro von Finanzminister Josef Pröll auf STANDARD-Anfrage. Im Budgetvoranschlag wurden von der Regierung Mindereinnahmen von 5,5 Prozent unterstellt, bei der Körperschaftssteuer minus 20 Prozent.

Insgesamt sind die Steuerzahlungen im Vergleich zu den ersten acht Monaten 2008 nun tatsächlich um 7,2 Prozent zurückgegangen, von 39,5 Mrd. Euro auf 36,44 Mrd. Euro. Im ersten Halbjahr war das Minus mit 5,3 Prozent noch nicht so ausgeprägt. Deutlich weniger Geld floss dem Staatssäckel auch aus der Lohnsteuer zu; sie brachte dem Finanzminister um 725 Mio. Euro oder 5,3 Prozent geringere Einnahmen.

Ebenfalls rückläufig war im Berichtszeitraum das Aufkommen aus der Mehrwertsteuer - traditionell der größte Einnahmebrocken für den Staat: Von Jänner bis August brachte sie 14,132 Mrd. Euro ein, um 278 Mio. Euro oder 1,9 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2008. Bis Juni lagen die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer nur um 0,9 Prozent zurück.

Rückgang beschleunigt sich 

"Es ist eine Dynamisierung zu beobachten. Die Einnahmen des Fiskus gehen fast Monat für Monat zurück", sagte die Steuerexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Margit Schratzenstaller. Bis Jahresende werde das Steueraufkommen weiter sinken.

Weil den Mindereinnahmen des Staates wegen der diversen Konjunkturstützen deutliche Mehrausgaben gegenüberstehen, könnte das Staatsdefizit weiter aus dem Ruder laufen. In ihrem Doppelbudget für 2009 und 2010 hatte die Regierung für 2009 einen Abgang von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und 4,7 Prozent für 2010 angenommen. Die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS hingegen rechnen schon heuer mit einem Minus von 4,5 Prozent, das nächstes Jahr um einen Dreiviertel- bis einen ganzen Prozentpunkt höher liegen dürfte.

Ein Blick zurück zeigt, dass es bereits vor Einsetzen der Krise ein Ungleichgewicht im Staatshaushalt gab. Das Defizit lag im Vorjahr mit 9,56 Mrd. Euro deutlich über den veranschlagten 3,83 Mrd. Euro. Die Defizitquote verschlechterte sich von 1,1 auf 3,4 Prozent. Wie aus dem seit Dienstag vorliegenden Bundesrechnungsabschluss für 2008 des Rechnungshofs hervorgeht, sind die Nettofinanzschulden des Bundes von 157,3 auf 167,9 Mrd. Euro gestiegen. Das "Bankenpaket" schlug mit 9,7 Mrd. Euro zusätzlichen Haftungen des Bundes zu Buche.

Als besonders alarmierend sieht der Rechnungshof erneut die "Schere" zwischen Einnahmen- und Ausgabenquote im Ausmaß von 3,4 Prozentpunkten. Auch stößt er sich an den von 161 auf 176,4 Mrd. Euro gewachsenen Staatsschulden und den Verpflichtungen des Bundes von 103 Mrd. Euro, wiewohl dies um fast zwei Mrd. Euro verringert wurden.

Der Rechnungshof mahnt zu einer nachhaltigen, strukturellen Budgetsanierung. Für Bernhard Felderer, Chef des IHS und des Staatsschuldenausschusses, ist der starke Rückgang der Einnahmen aus der Körperschaftssteuer überraschend gekommen: "Den Unternehmen geht es schlechter als gedacht." Eine Steuererhöhung komme nur als "Ultima Ratio" infrage.

Das sieht auch Schratzenstaller vom Wifo so. "Jetzt ist die Zeit, um endlich die überfällige Staatsreform und notwendige Verwaltungsreformen anzugehen. Mit Steuererhöhungen würde man nur die Konjunktur abwürgen", sagte Schratzenstaller. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2009)