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Jose Socrates, Premier, zittert um die absolute Mehrheit.

Foto: AP/Caivano

Wahrscheinlicher ist ein Linksbündnis unter Premier José Sócrates.

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Lissabon/Madrid - Portugals Regierungschef José Sócrates hat das Ruder herumgerissen. Anders als die Umfragen vorhersagten, konnte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PS) die Wahlen gestern, Sonntag,. klar für sich entscheiden. Zwar verlor die PS die absolute Mehrheit, doch sie wird künftig mit der stärksten Fraktion im neuen Parlament vertreten sein. Bei Redaktionsschluss verzeichneten die Hochrechnungen zwischen 38 und 40 Prozent für die Sozialisten. Damit werden sie mit 102 bis 106 Abgeordneten ins 230 Abgeordnete starke Parlament einziehen.

Klare Verliererin ist die Vorsitzende der konservativen Sozialdemokratischen Partei (PSD), Manuela Ferreira Leite, die als erste Frau in Portugal für das Amt des Premiers kandidierte. Anstatt des vorhergesagten Kopf-an-Kopf-Rennens erzielte die PSD nur 25 bis 29 Prozent und wird damit 69 bis 73 Abgeordnete entsenden. Drittstärkste Kraft wurde der Linksblock (BE), ein Zusammenschluss aus maoistischen und trotzkistischen Gruppen. Er erzielte um die 12 Prozent und verfügt damit künftig über 20 bis 23 Abgeordnete.

Die Parlamentswahlen in Portugal begeisterten die Wähler wenig. Obwohl alle politischen Führer am Wahltag eine hohe Wahlbeteiligung beschworen hatten, fanden die 9,4 Millionen Wahlberechtigten nur zögerlich den Weg an die Urnen. Um die 40 Prozent enthielten sich der Stimme. Vor vier Jahren waren es 36 Prozent. Bereits damals galt die Wahlbeteiligung extrem niedrig.

Während Ferreira Leite im Wahlkampf gegen die "Verschwendungssucht der Sozialisten" wetterte und versprach, die Staatsausgaben deutlich zu senken, redete Sócrates immer wieder von der Modernisierung Portugals, sowie von der Sozialpolitik seiner Regierung und deren 2,2 Mrd. Euro schwerem Stimuluspaket.

Eine große Koalition, wie sie so mancher Kommentator angesichts der Krise, die Portugal durchlebt, gerne sehen würde, gilt als unwahrscheinlich. Zu unterschiedlich sind die beiden Spitzenkandidaten Sócrates und Ferreira Leite. Sócrates und seine Sozialisten haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder sie regieren in Minderheit mit abwechselnden Bündnissen in Sachfragen, oder sie werben um eine dauerhafte Koalition mit einer oder mehreren kleineren linken Parteien. Allen voran bietet sich der Linksblock als Mehrheitsbeschaffer an. Doch auch die CDU, ein Bündnis aus Kommunisten und Grünen, böte sich an.

Doch ein solches Linksbündnis wird nicht leicht zu schmieden sein. Sócrates sei arrogant, beschwerten sich Block und CDU noch am Wahlabend. Mit seinen Modernisierungsmaßnahmen in Verwaltung und Schulsystem brachte der Regierungschef die Gewerkschaften gegen sich auf. Die linken Parteien unterstützten sie und warfen Sócrates immer wieder vor, "rechte Politik" zu betreiben. (Reiner Wandler/DER STANDARD, Printausgabe, 28.9.2009)