Chuck Prophet: "¡Let Freedom Ring!" (Cooking Vinyl/Edel, 2009)

Foto: Cooking Vinyl

Chuck Prophet und seine bewährte Squier Telecaster.

Foto: chuckprophet.com

Am 7. Oktober gastiert Chuck Prophet mit seiner Band The Mission Express im Wiener Chelsea.

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Ein Erdbeben der Stärke 6,4, Konfrontationen mit korrupten Polizisten, Stromausfälle und die Schweinegrippe, die das Tragen von Gesichtsmasken notwendig machte. Dazu ein "state of the art"-Tonstudio, "state of the art" allerdings für das Jahr 1957. Die Umstände, unter denen der US-Singer/Songwriter Chuck Prophet sein jüngstes Album "¡Let Freedom Ring!" in Mexico City aufgenommen hat, entsprachen nicht gerade den üblichen Produktionsbedingungen. Wobei das den einstigen Gitarristen der Americana-Götter Green On Red noch nie gehindert hat, inspirierte Einspielungen abzuliefern. Immerhin hat Prophet, als er vor ein paar Jahren mit seiner Band aus Versehen in ein Tonstudio in seiner Heimatstadt San Francisco eingesperrt wurde, die Zeit dazu genutzt, gleich ein ganzes Cover-Album, das formidable "Dreaming Waylon's Dream", einzuspielen.

Nicht den in Songs gegossenen Träumen von Country-Outlaw Waylon Jennings, sondern einer kaleidoskopischen Bestandsaufnahme des Amerikanischen Traumes, seinen Versprechungen und den unweigerlichen Enttäuschungen, wenn es um Kleine, um die alltägliche Biografie geht, ist "¡Let Freedom Ring!" gewidmet. "A political album for non-political people" nennt das Prophet selbst.

Mexico City und sein legendäres Studio mit "Vintage Vibe", das Estudio 19, befand sich dabei gewissermaßen am anderen Ende des Teleskops, wo Prophet seine noch taufrischen Songs mit Musikern wie dem einstigen E-Street-Band-Drummer Ernest "Boom" Carter - ja, der von "Born to Run" - einspielte. Mit dabei als Musiker wie auch als Co-Produzent war Greg Leisz, verantwortlich für unverwechselbare Steel-Gitarren-Grundierungen bei Dave Alvin, Bill Frisell, Emmylou Harris, Joni Mitchell oder Wilco. Nach dem vor Kurzem verstorbenen Musik-Giganten Jim Dickinson hat hier Prophet erneut einen musikalischen Sparring Partner mit einer geradezu enzyklopädischen Kenner- und Könnerschaft in Sachen Americana gefunden.

Let the guitars do their talkin'

Das an "London Calling" von The Clash gemahnende Opening Riff von "Sonny Liston's Blues" kündigt an, was auch die weiteren zehn Songs so bleibt: Auf "¡Let Freedom Ring!" regieren nach dem experimentelleren Vorgänger-Album "Soap and Water" wieder die Gitarren. Ohne Entschuldigung und in allen nur möglichen Klangfarben, von zart angezerrt bis zu nasalem Fuzz-Gedröhne. Prophet kann hier auf seiner alt gedienten Squier Telecaster zeigen, dass er ein wahrer "Tele-Master" mit unerkennbarem Sound ist, ohne jemals zu viel aufzutischen. Wobei es natürlich hilft, dass sich Prophet als Songwriter auf betörende Melodien versteht, die so leicht nicht mehr aus dem Kopf zu bekommen sind oder so klingen, als kenne man sie immer schon.

Was nicht weit gefehlt ist, denn auf musikalische Referenzen versteht sich der Mann recht gut. "Love Won't Keep Us Apart" darf nicht nur von den Akkordfolgen her als gelungene Paraphrase auf Bob Dylans "Like a Rolling Stone" gelten. Auch bei den Phrasierungen merkt man, dass Prophet, ein Meister des lakonischen Gesangs, die unberechenbaren Silbenzerdehnungen des Altmeisters verinnerlicht hat.

"I am a man of few words, baby/I think by now you've heard them all", heißt es am Beginn des Openers. Was für den Protagonisten im Song stimmen mag, straft Prophet selbst als Songwriter schnell Lügen. Auch auf seinem jüngsten Album liefert er Musterbeispiele für prägnantes, immer wieder überraschendes Songwriting. Höhepunkte gibt es viele, vom bittersüßen, mit Mandoline und Geige durchsetzten "What Can A Mother Do", dem unwiderstehlichen Titelsong "¡Let Freedom Ring!" mit hingeworfenen Formulierungen wie "Let there be markets, let 'em run wild" bis zum herzerweichenden Closer "Leave The Window Open".

Dass das Album unter den bereits erwähnten Umständen in nur acht Tagen aufgenommen wurde, mag dazu beigetragen haben, dass es die Frische und Ungehobeltheit verströmt, die sonst eher von Live-Aufnahmen zu erwarten ist. Gerade bei Konzerten konnte Prophet ja seit jeher seine Stärken ausspielen. Um so erfreulicher, dass der Musiker, der sich nach seiner Zeit bei Green On Red vor rund 20 Jahren zu einer nach wie vor viel zu wenig beachteten Solo-Karriere aufgemacht hat, demnächst auch wieder den Weg zu einem Konzert nach Österreich findet. Am 7. Oktober gastiert Prophet mit seiner Begleit-Band The Missions Express, zu der auch Ehefrau Stephanie Finch zählt, im Wiener Chelsea. Mit im Gepäck: "¡Let Freedom Ring!". Don't you dare miss it! (Karl Gedlicka, derStandard.at, 20. September 2009)