Bild nicht mehr verfügbar.

Wachmänner der ArmorGroup auf einem der Fotos, die den Sex-Skandal um das private Sicherheitsunternehmen ausgelöst haben

Reuters/POGO

Bild nicht mehr verfügbar.

Die ArmorGroup wurde für mehr als 180 Millionen Dollar von der Regierung beauftragt, die US-Botschaft in Kabul zu sichern. Hier der Botschafter bei seiner Rede zum Gedenken der Anschläge auf das World Trade Center vom 11. September 2001

AP Photo/Farzon Wahidy

Bild nicht mehr verfügbar.

John Gorman mit seinen Rechtsvertreterinnen bei einer Pressekonferenz zum arbeitsrechtlichen Prozess, den er und sein Kollege James Gordon gegen die ArmorGroup führen

AP Photo/Luis M.Alvarez

Es waren zwölf pikante Fotos, die das private Sicherheitsunternehmen ArmorGroup zum ersten Mal in Bedrängnis gebracht hatten: Sie zeigten Wachpersonal der US-Botschaft in Kabul in Partylaune - bei Sexspielen im Camp Sullivan, unweit des Botschaftsgeländes. Mitarbeiter seien von Vorgesetzten gezwungen worden, Geschlechtsakte nachzustellen oder sich gegenseitig an die Hoden zu greifen.

Der Fall wurde durch eine anonyme Beschwerde einiger Mitarbeiter bei der nicht-staatlichen Organisation POGO (Project on Government Oversight) bekannt. Deren Bericht an die Außenministerin Hillary Clinton schlug in den USA hohe Wellen, die betroffenen Angestellten wurden entlassen. Denn die in London ansässige ArmorGroup wurde für mehr als 180 Millionen Dollar von der Regierung beauftragt, die amerikanische Botschaft in Kabul zu sichern - nicht um Sexorgien zu feiern.

Unmöglich, die Botschaft zu sichern"

Die investigative US-Nachrichtenwebsite The Washington Independent meldete, dass die ArmorGroup sich noch weitere Entgleisungen geleistet und gravierend gegen die Auflagen des Vertrags verstoßen haben soll: Betrug der Regierung und Verwicklung in Prostitution lauten unter anderem die Vorwürfe gegen das Unternehmen. Weder die ArmorGroup noch das Außenministerium wollten sich bisher dazu äußern.

In einem arbeitsrechtlichen Prozess, den die ehemals hochrangigen ArmorGroup-Manager James Gordon und John Gorman gegen ihren Ex-Arbeitgeber führen, wurden delikate Details öffentlich: Das Unternehmen soll um Geld zu sparen heimlich statt landes- und sprachkundigen Sicherheitskräften sogenannte Gurkhas aus Nepal engagiert haben - die weder Englisch noch das örtliche Paschtu und seine Dialekte sprachen.

Gordon sagte dazu: "Es war unmöglich die Botschaft mit Wachmännern zu sichern, die nicht einmal miteinander kommunizieren konnten." Er habe darüber sofort das Außenministerium informiert, doch das Problem sei bis heute nicht behoben worden.

Korrekte Mitarbeiter „nicht beliebt"

Das Vorgängerunternehmen, die MVM Inc. habe den Auftrag der Regierung genau wegen solcher personeller Fehlbesetzungen verloren - weshalb die ArmorGroup dem Außenministerium gegenüber auch fälschlich berichtet habe, ihr Personal spreche Englisch und die Landessprache. "Solche Leute existierten nicht", sagte Gordon.

Nicht nur unqualifizierte Mitarbeiter wurden beschäftigt, sondern auch Söldner mit unzulässigen Militärakten: "Einer war von einem früheren Projekt gefeuert worden, weil er im betrunkenem Zustand vor einem Kollegen die Waffe gezogen hatte", erzählte John Gorman, ein ehemaliger Offizier der Marines.

Gorman meldete dies dem zuständigen Sicherheitsexperten der Botschaft und brachte damit aus Sicht der ArmorGroup nicht nur den Deal in Afghanistan, sondern auch den 500 Millionen Dollar schweren Auftrag im Irak in Gefahr. "Nicht gerade beliebt" sei er deshalb bei den Kollegen gewesen.

Geld für Autos einfach behalten

Neben den gefährlichen Einsparungen und Fehlbesetzungen wirft Ex-Kollege Gordon der Firma auch handfesten Betrug vor: Es seien im Auftrag der Regierung Autos für die Söldner bestellt worden. Das Geld sei direkt auf das Konto eingegangen - aber die Autos seien nie gekauft worden.

Stattdessen zeigte sich der Logistikmanager laut Gordon sehr kauffreudig als er "North-Face-Jacken und Altama-Stiefel" bei der libanesischen Firma seiner eigenen Frau bestellte. Ausrüstung, die "im afghanischen Winter die Männer niemals hätte warmhalten können", so der ehemalige Mitarbeiter.

Frauen für 20.000 Dollar

Für Gordon jedoch die schlimmste Entgleisung ist der Verdacht, dass Führungskräfte der Firma in örtliche Prostitution verwickelt gewesen sein sollen. Mehrmals sollen der Programm-Manager Nick Du Plessis und unterstellte Mitarbeiter Bordelle in Kabul besucht haben - Prostituierte sollen außerdem zu einer Geburtstagsparty in das Camp Sullivan gebracht worden sein. "Viele der Prostituierten in Kabul sind junge Chinesinnen, die gegen ihren Willen hierhergebracht wurden, um sexuell ausgebeutet zu werden", sagte Gordon.

Sex gegen Geld - das sei laut Vertrag für alle Mitarbeiter des Projekts verboten. Ein Verstoß hätte ein Ende der Zusammenarbeit mit der Regierung bedeutet. Der ehemalige Manager sagte beim Prozess aus, dass er von der Untersuchung der Prostitutionsvorwürfe gezielt ausgeschlossen worden war.

Nicht nur hätten die Mitarbeiter weiterhin Bordelle besucht, Gordon vermutet, dass sie sogar selbst Geschäfte mit Frauen gemacht haben sollen. Ein junger Söldner habe ihm gegenüber damit angegeben "dass er ein Mädchen für 20.000 Dollar kaufen könne und schon innerhalb eines Monats Profit daraus schlage."

Nur eine Strohfirma?

Gordons Anwältin Janet Goldstein sagte, das Mutterunternehmen ArmorGroup International hätte Aussagen von Mitarbeitern der ArmorGroup North Amerika systematisch verhindert. Das deute für sie darauf hin, dass dieser Bereich des Unternehmens in Wahrheit "eine Strohfirma" sei, die nur dazu diene "Verträge zu bekommen, die nur an US-Firmen gehen dürfen".

Der zweite Kläger John Gorman sagte abschließend, dass er nicht glaube, die Sicherheitsfirma könnte die Botschaft in Kabul wirklich schützen - auch, wenn die ArmorGroup und die Regierung das bekräftigen würden. "Die müssen das sagen. Würden sie sagen, die Botschaft sei nicht sicher, würden sie den Taliban doch grünes Licht geben." (Rebecca Sandbichler/derStandard.at, 17.09.2009)