Niedrigverdiener sind anteilsmäßig stärker durch indirekte Steuern und Sozialausgaben belastet, weil sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsum ausgeben und der Anteil der Sozialabgaben am Einkommen höher ist.

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Wien - Die Umverteilung von hohen zu niedrigen Einkommen erfolgt in Österreich hauptsächlich über die Staatsausgaben. Das Steuersystem hingegen wirkt kaum umverteilend. Bei indirekten Steuern, also etwa der Mehrwertsteuer, hat die Belastung niedriger Einkommen deutlich zugenommen. Das zeigt eine neue WIFO-Studie, die offiziell erst kommenden Mittwoch präsentiert wird. Für Studienleiter Alois Guger zeigt die starke Umverteilungswirkung der Transferleistungen, dass der Sozialstaat funktioniert. Für die SPÖ und das Sozialministerium, das die Studie teilweise finanziert hat, sind die Ergebnisse ein Grund bei Maßnahmen zur Haushaltssanierung nach der Krise die "Verteilungswirkung sehr genau im Blick" zu haben.

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Transferleistungen, also etwa Beihilfen und Gesundheitsleistungen, machen im untersten Einkommensdrittel 84 Prozent der Bruttoeinkommen aus. Steuern und Abgaben wirken kaum umverteilend. Denn die progressive Wirkung der Einkommensbesteuerung wird durch die regressive Wirkung der indirekten Steuern auf Güter und Dienstleistungen (z.B. Mehrwertsteuer) sowie der Sozialabgaben weitgehend ausgeglichen. Anders ausgedrückt sind Niedrigverdiener anteilsmäßig stärker durch indirekte Steuern und Sozialausgaben belastet, weil sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Konsum ausgeben und der Anteil der Sozialabgaben am Einkommen höher ist. Während also besser Verdienende mehr Lohnsteuer, dafür aber anteilsmäßig weniger Sozialversicherungsbeiträge und indirekte Steuern zahlen, ist es bei Niedrigverdienern umgekehrt. Eine Mehrwertsteuererhöhung würde somit die unteren Einkommensgruppen am stärksten treffen.

Dieser Ungleichheit wird hauptsächlich durch staatliche Umverteilung entgegengewirkt. Durch die staatliche Umverteilung ("Sekundärverteilung") "gewinnt" das unterste Einkommensdrittel neun Prozent, während das obere zehn Prozent "verliert". In Zahlen: Das untere Drittel hält 14 Prozent der Bruttomarkteinkommen ("Primärverteilung"), das mittlere 29 und das obere Drittel 57 Prozent. Nach dem Eingriff des Staates durch Umverteilung mittels Transferleistungen verschiebt sich dieses Verhältnis auf 23 zu 30,4 und 46,6 Prozent.

Bis zu 84 Prozent Transferleistungen

Gemessen am Bruttoeinkommen belaufen sich im untersten Drittel die Transfers auf ganze 84 Prozent, im zweiten auf rund 30 Prozent und im oberen auf zwölf Prozent. Am progressivsten wirken dabei die klassischen Sozialausgaben wie Arbeitslosengeld, Notstands- und Sozialhilfe sowie Wohnbeihilfe. Fast 90 Prozent dieser Ausgaben entfallen auf das unterste Einkommensdrittel. Am geringsten ist der Unterschied bei den Gesundheitsleistungen, diese Ausgaben sind zwischen den Einkommensgruppen relativ gleich verteilt (zwischen 30 und 37 Prozent). Gemessen am Einkommen verschiebt sich dieses Verhältnis allerdings: Während bei den Niedrigverdienern die Gesundheitsleistungen und Pflegegeld zwischen 30 und 40 Prozent des Bruttoeinkommens betragen, sind es im oberen Bereich nur acht bis neun. Das bedeutet, dass diese Staatsausgaben für die unteren Einkommensgruppen eine viel größere Rolle spielen. Heute wird außerdem deutlich mehr "umverteilt" als bei der letzten Studie 1991 - der Grund dafür ist unter anderem, dass es deutlich mehr Arbeitslose gibt als damals.

Sozialstaat wirkt gegen Ungleichheit

Für Studienleiter Alois Guger zeigt die starke Umverteilungswirkung von Transferleistungen, dass der Sozialstaat funktioniert. Die einkommensmäßig untere Hälfte der Bevölkerung ist Gewinner des Umverteilungsprozesses. Allerdings, so Guger, profitiert auch die "obere" Einkommenshälfte davon - der soziale Frieden, den ein funktionierendes Sozialsystem garantiert, kommt auch ihnen zugute. "Es ist ein Wert an sich, wenn Kinder von Armen und Reichen in die gleichen Schulen gehen, wenn Arme und Reiche die gleichen Gesundheitseinrichtungen besuchen", so Guger im Gespräch mit derStandard.at. Der soziale Zusammenhalt werde so gestärkt und komme schließlich allen zugute.

Dass die Umverteilungswirkung nicht über das Steuersystem passiert, kommt für Guger "nicht überraschend". Die Progression bei der Lohnsteuer werde durch die Steigung bei indirekten Steuern ausgeglichen. Generell kritisiert Guger, dass unser Wohlfahrtsstaat sehr stark auf monetäre Transferleistungen setzt. Der Experte rät, den Fokus im Sozialsystem mehr auf soziale Dienstleistungen zu legen, also auch nicht-monetäre Zuwendungen. "Wir müssen uns hin zu einem sozialen Dienstleistungsstaat bewegen", so Guger.

Arbeit stärker belastet als Kapital

Die Studie zeigt außerdem einmal mehr, dass Arbeit im Gegensatz zu Kapital immer stärker belastet wird. Die durchschnittliche Steuerbelastung von Lohneinkommen hat sich seit 1970 von 7,5 Prozent auf 15,4 Prozent im Jahr 2007 mehr als verdoppelt, jene des Kapitals hingegen ist mit 12,4 bzw. 10,3 Prozent sogar gesunken.

Gleichzeitig gibt es eine zunehmende Ungleichheit zwischen den hohen und niedrigen Einkommen (verglichen wurden nur Nicht-Selbstständigenhaushalte, Anm.). Im Vergleich der Jahre 1983, 1991, 2000 und 2005 hat einzig das oberste Zehntel anteilsmäßig gewonnen, die anderen neun Einkommensgruppen haben gesamt gesehen verloren. Mit anderen Worten: Der Anteil der Bestverdiener an der gesamten Einkommenssumme ist immer weiter gestiegen, jener der Niedrigverdiener hingegen gesunken. Guger erklärt die Entwicklung etwa mit zunehmender Teilzeitarbeit und atypischer Beschäftigung. (az, derStandard.at, 17.9.2009)