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Hakoahs Fußballer 1928 in der Krieau. 1923 hatten sie als erster Kontinentalklub ein Spiel in England gewonnen (5:0 bei West Ham United), 1925 waren sie Österreichs Meister.

Foto: Archiv

Wien - Es ist vielen großen Künstlern und Künstlerinnen gemein, dass ihre runden Geburtstage nicht bloß an einem Tag begangen werden, sondern oft ein Jahr hindurch. So hat die Wiener Hakoah schon in den vergangenen Monaten mit einer Theaterrevue, einer Ausstellung und anderen Veranstaltungen ihren Hunderter gefeiert. Dabei ist es erst jetzt wirklich so weit. Die Hakoah, eine Künstlerin? Das passt schon - auch im Sinne von Überlebenskünstlerin.

Zunächst aber war und ist die Hakoah natürlich eine Sportlerin. Beispielsweise lehrte Zsigo Wertheimer in den 1920ern "müheloses Schwimmen mit richtiger Atemtechnik für Anfänger" , sommers in Velden und Pörtschach, winters im Dianabad in Wien. Und er hatte die besten Schwimmer und Schwimmerinnen der Hakoah unter seinen Fittichen, auch Hedy Bienenfeld, "die schöne Hedy" , wie man sie nannte. Dem Vernehmen hatte Friedrich Torberg, der damals noch Kantor hieß und Wasserball spielte, ein Auge auf Bienenfeld geworfen, doch sie heiratete Wertheimer, ihren Trainer.

Die Schwimmer, die Wasserballer, die Ringer, die Fußballer der Hakoah, sie gehörten zu den Besten ihrer Zeit. Für den Fußball stand vor allem ein Name, der Name Béla Guttmann. Er spielte die Position Centerhalf und kam 1922 aus Budapest zur Hakoah, später sollte ihn sein Weg über New York, Rio und Lissabon wieder zurück nach Wien führen, wo er 1964 für kurze Zeit den österreichischen Teamchef gab, aber nicht zuletzt am immer noch grassierenden Antisemitismus scheiterte. Auch dank Guttmann war die Hakoah zu einer der vier Wiener Fußball-Größen gewachsen. Rapid, Austria und die Vienna waren hochkarätige Gegner, und doch gelang es der Hakoah, 1924/25 Meister zu werden. "Hoppauf, Hakoah" , so lautete der Anfeuerungsruf in diesen Jahren.

Schon 1923 war der Hakoah als erster Gastmannschaft ein Sieg "auf der Insel" , in England also, gelungen. Er fiel mit einem 5:0 gegen West Ham United noch dazu deutlich aus. Drei Tore steuerte ein gewisser Alexander Neufeld bei, der als Nemes Sándor das Licht der Welt erblickt hatte. Auch das ein Zeichen für die Verbundenheit mit Budapest, die in Wahrheit noch auf die Zeit vor der Gründung zurückging. Bei den Cricketern im Prater hatte am 23. Mai 1909 der Budapester Vívó és Atlétikai Club gastiert, ein jüdischer Klub. Und dieses Gastspiel gab den Anstoß, auch in Wien mit Kraft (Hakoah) etwas anzugehen. Lipott Weiß, der Leiter der "Vívó" , ermunterte die jüdischen Wiener Studenten, einen eigenen Verein zu gründen. Hintergrund war nicht zuletzt die Tatsache, dass viele Sportvereine ihre Statuten um einen "Arierparagrafen" erweitert hatten. Unter der Führung David Weinbergers wurde schließlich die konstituierende Hakoah-Generalversammlung abgehalten, wie erwähnt am 16. September und in den Räumlichkeiten der "Lese- und Redehalle jüdischer Hochschüler" in der Hörlgasse am Alsergrund.

Die Nazi-Herrschaft brach den sportlichen Hakoah-Erfolg und die identitätsstiftende Bedeutung des Vereins. Oder sagen wir lieber, der Erfolg und die Bedeutung wurden unterbrochen. Hakoah bedeutet Kraft nicht von ungefähr, und Kraft versteht sich durchaus auch im Sinne von Ausdauer. Trotz aller Tragödien. Club-Präsident Fritz Löhner-Beda kam in Auschwitz um, neben vielen anderen.

Der Ringer Nikolaus "Micki" Hirschl ging nach Israel, neben vielen anderen. 1932 in Los Angeles hatte sich Österreich noch über zwei olympische Bronzemedaillen Hirschls gefreut. Die Schwimmerin Judith Deutsch, Kraulmeisterin und Sportlerin des Jahres 1935, wurde vom Verband gesperrt, weil sie sich geweigert hatte, an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teilzunehmen.

Am 13. März 1938, am Tag also nach dem "Anschluss" , ist die Hakoah zerschlagen worden. Es war der Schwimmer und Sportwissenschafter Karl Haber, der sie nach dem Krieg gemeinsam mit Ernst Sinai neu gründete. Vor dem Krieg war die Hakoah der größte jüdische Sportverein der Welt gewesen. Nach der Neugründung hielten die Fußballer nur fünf Jahre durch, ehe sie ihren Betrieb wieder einstellen mussten. Heute besteht die Hakoah aus den Sektionen Basketball, Karate, Schwimmen, Touristik & Skiclub, Tennis, Tischtennis und Wandern. Sie hat 600 Mitglieder, und Paul Haber, Karl Habers Sohn, steht dem Klub als Präsident vor. "Ich bin mit und in der Hakoah aufgewachsen."

Unter Haber ist das Jahr 2008, jenes vor dem runden Feste, zu einem der wichtigsten in der Klub-Geschichte geraten. Da wurde das neue Hakoah-Zentrum im Prater eröffnet. Jahrzehnte hatte es gedauert, bis die Stadt Wien den Pachtvertrag restituierte und der Hakoah das 1923 bezogene Areal zurückgab. Bund und Stadt zahlten sieben Millionen Euro als Entschädigung, das reichte zur Adaption des Geländes und zum Bau einer Sporthalle. Haber sagte zur Eröffnung: "Vor siebzig Jahren wurde der Verein von der SA zerschlagen. Aber das Dritte Reich ist untergegangen - und die Hakoah lebt!" (Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE - 16.9. 2009)


Dieser Text erscheint auch im jüdischen Magazin NU