Von "echtem" Factoring spricht man dann, wenn der Factor auch vollständig das Ausfallsrisiko der Forderung übernimmt ("Delkredererisiko").

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Factoring, also der Verkauf offener Forderungen an einen "Factor" (meist eine Bank, Anm.), ist dem Grundsatz nach ein Instrument sowohl zur Stärkung der Eigenkapitalquote als auch zur Absicherung gegen Forderungsausfälle.

Der Ablauf beim Inlands-Factoring (zum Export-Factoring siehe unten) ist meist dergestalt, dass der "Factor" zwischen Lieferanten und Kunden geschaltet wird. Der Lieferant verkauft die Ware an den Kunden und stellt sie in Rechnung. Anstatt auf den Ablauf der vereinbarten Zahlungsfrist (samt obligatem Zahlungsverzug; dieser beträgt in Österreich laut Zahlen des Kreditschutzverbands 1870 sieben Tage - das heißt, eine Rechnung mit Zahlungsfrist 25 Tage wird im Schnitt erst nach 32 Tagen beglichen) zu warten, wird die Rechnung gleichzeitig an den Factor geschickt. Dieser "kauft" sie und zahlt die Summe dafür sofort an den Lieferanten. Allerdings nicht die gesamte Summe, sondern in der Regel etwa 80 Prozent vom Brutto-Rechnungsbetrag. Der Rest, abzüglich einer vereinbarten Gebühr, folgt, wenn der Debitor die Forderung an den Factor begleicht.

Echt oder unecht

Factoring ist also ein Finanzierungsgeschäft, bei dem der so genannte "Factor" laufend die Forderungen, die beim Factoring-Kunden - in obiger Erklärung also der Waren-Lieferant - aus Lieferung und Leistung entstehen, ankauft und ihm somit die Forderungen bevorschusst. Je nach Factoring-Art übernimmt er darüber hinaus außerdem das Ausfallrisiko der Forderung und auf Wunsch auch alle Verwaltungsfunktionen, die mit der Forderung im Zusammenhang stehen - etwa die Buchhaltung, das Mahnwesen und das Inkasso der Forderung.

Von "echtem" Factoring spricht man dann, wenn der Factor auch vollständig das Ausfallsrisiko der Forderung übernimmt ("Delkredererisiko"). Dies steht im Gegensatz zum "unechten" Factoring und ist gleichzeitig die grundsätzlichste Unterscheidung verschiedener Factoring-Arten.

In Österreich wird fast ausschließlich unechtes Factoring praktiziert, in Deutschland hingegen überwiegt aufgrund der anderen Rechtslage das echte Factoring. Deutsche Factorbanken verlangen vom Klienten allerdings meist eine Kreditversicherung, weshalb das Delkredererisiko letztlich von der Versicherung übernommen wird.

"Offen" oder "still"

Eine weitere Unterscheidung wird bezüglich der Information des Kunden (Debitors) getroffen. Beim so genannten "offenen" Factoring (auch "Notification Factoring") wird der Kunde darüber informiert, dass sein Lieferant die Forderung an einen Factor abgetreten hat, und aufgefordert, direkt an diesen zu zahlen.

Im Gegensatz dazu wird der Debitor beim "stillen" Factoring ("Non-Nofitication Factoring") über diesen Schritt nicht informiert. Die Forderungsabtretung bleibt für ihn also vorerst unsichtbar und wird erst offensichtlich, wenn der Kunde in Zahlungsverzug ist und der Factor die Forderung ihm gegenüber offen legt. In einer Zwischenvariante, dem "halboffenen Factoring", wird dem Debitor lediglich eine Bankverbindung des Factors genannt.

"Full-Factoring" und "Inhouse-Factoring"

Übernimmt der Factor Mahnwesen und Inkasso sowie Debitorenbuchhaltung, spricht man auch vom "Full-Factoring" (mit oder ohne Übernahme des Delkredere-Risikos). Der Factor wickelt dabei also alle wesentlichen Schritte für seinen Kunden ab, was für diesen eine enorme administrative Entlastung darstellt. Gerade Klein- und Mittelbetrieben fehlt es oft an den nötigen Kapazitäten, die einzelnen Debitoren individuell zu behandeln.

Bleiben die Buchhaltungsagenden hingegen beim Factoring-Kunden, spricht man auch vom so genannten Inhouse-Factoring.

Wie schon angeklungen ist, können die drei Funktionen Finanzierung, Delkredere und Service aber auch ganz unterschiedlich kombiniert bzw. modifiziert werden. Es gelten die Vereinbarungen des individuellen Factoring-Vertrags.

Export Factoring: Zwei Factors involviert

Eine ganz spezielle Sonderform ist das Export Factoring. Dabei ist meist nicht nur ein Factor, sondern es sind gleich deren zwei involviert: ein Export- und ein Import-Factor. Dabei verkauft das exportierende Unternehmen die offene Forderung zunächst an den Export-Factor, dieser überträgt die Forderung wiederum nach entsprechender Limit-Einräumung an den Import-Factor. Weil dieser im Land des importierenden Unternehmens beheimatet ist, verfügt er meist über die nötigen Informationen über die Bonität des Debitors und ist mit den Inkasso-Usancen seines Landes vertraut. (red, derStandard.at, 14.9.2009)