Den Wert von Vermeer van Delfts "Allegorie der Malkunst" schätzen Experten auf 150 bis 200 Millionen Euro.

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Rund 1500 Werke soll Peter Paul Rubens mit Unterstützung seiner Schüler der Nachwelt hinterlassen haben, bei Rembrandt schätzt man die Zahl auf 350, demgegenüber steht Vermeer van Delft mit einer überschaubaren Menge. Für 35 Gemälde ist die Urheberschaft gesichert, drei weitere gelten als Zuschreibungen. An der historisch jüngsten scheiden sich die Geister: In den 60er-Jahren tauschte Baron Frédéric Rolin das Gemälde Junge Frau am Tafelklavier als "Nachfolger Vermeers" im Londoner Kunsthandel gegen Werke von Klee, Bonnard, Signac und Riopelle.

Die Verlockung, moderneren Untersuchungsmethoden irgendwann doch eine authentische Zuschreibung abzuringen, blieb, eine unter Sammlern gängige Lebensaufgabe, die neben Ruhm nicht selten auch Geldsegen verspricht. 1993 wandte sich Rolin an Sotheby's und fand in Greg Rubinstein (Chefexperte für Altmeisterzeichnungen), einen Mitstreiter. Acht Jahre, unzählige technische und wortreiche Analysen später gab das 25 mal 20 cm kleine auf Leinwand gemalte Werk im Rahmen einer Ausstellung im Metropolitan Museum of Art (New York) als authentischer Vermeer sein Debüt. Für den Kunstmarkt kommt derlei einer Erhebung in den Adelsstand gleich, wovon die nächste Generation profitieren sollte.

2002 verstarb Rolin, seine Erben entschlossen sich zum Verkauf und vereinbarten mit Sotheby's ein Limit von drei Millionen Pfund. Dabei sollte es 7. Juli 2004 nicht bleiben. Zu den Anwesenden im Saal zählte auch Altmeisterhändler Rob Noortman, dem angesichts des damals bereits bei Sotheby's angehäuften Schuldenbergs - knapp zwei Jahre später "fusionierten" Noortman und das Auktionshaus - gerüchteweise die Rolle des Gebotstreibers zugefallen sein soll. An diesem Tag blieb der Händler Unterbieter, den Zuschlag erteilte man an einen vorerst anonymen Telefonbieter: Inklusive Aufgeld und Steuern berappte Steven Wynn (Las Vegas) 16,24 Millionen Pfund (24,36 Mio Euro). Unbestätigten Meldungen zufolge dürfte sich der Casinomagnat im Jänner 2009 für 30 Millionen Dollar von dem Gemälde getrennt haben.

Roman Herzig (Galerie St. Lucas, Wien) zählt sich zu jener Fraktion, die dieses Bild keinesfalls als Vermeer einstuft. Womöglich eine Fälschung? Da Vermeers Urheberschaft für eine so geringe Anzahl an Werken gesichert ist, wollten Mutmaßungen über die Existenz weiterer Bilder nie verstummen. Den Wunsch nach Entdeckungen bedienten Fälscher wie Han van Meegeren. Zu seinen Kunden zählten nicht nur Museen, sondern auch Hermann Göring (Christus und die Ehebrecherin).

Geschätzter Fälscher

Kommerziell hatten Vermeers Werke schon zu seinen Lebzeiten eine gehobene Stellung. Im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen schuf er zwischen 1653 (Eintrag als ausgebildeter Maler in der Gilde) und seinem Tod 1675 etwa zwei bis drei Bilder jährlich. 1696 wechselten im Rahmen einer Versteigerung 21 seiner Arbeiten zu Preisen zwischen 17 und 200 Gulden den Besitzer, während ein Kopfbildnis Rembrandts in der gleichen Auktion nur sieben Gulden brachte. Mit der zunehmenden Beliebtheit stiegen vor allem an der Wende zum 20. Jahrhundert auch die Preise.

Die 1940 von Adolf Hitler an Jaromir Czernin für Die Allegorie der Malkunst bezahlten 1,65 Millionen Reichsmark, zuzüglich der anfallenden Steuer von 500.000 Reichsmark, waren für jene Zeit bereits stattlich. Laut Statistik Austria entspricht das auf Basis des Verbraucherpreisindex einem aktuellen Gegenwert von 7,65 Millionen Euro (inkl. Steuern 9,97 Mio Euro).

Das Gemälde war seit 1813 im Besitz der gräflichen Familie Czernin und galt erst seit 1860 als ein Hauptwerk Vermeers, davor als Arbeit von Pieter de Hooch. Im Zuge eines Nachlassverfahrens einigte sich die Familie 1933 auf einen Wert von einer Million Altschilling (Gegenwert etwa drei Millionen Euro). Wenige Monate später erhielt Czernin, der einem Verkauf nicht abgeneigt schien, erste Angebote, die zwischen 1,8 (Philipp Reemtsma) und umgerechnet 2,5 Millionen (Andrew W. Mellon) Reichsmark lagen.

Ungeachtet der detaillierten Umstände war der Besitzerwechsel 1940 für damalige Verhältnisse also scheinbar zu einem "angemessenen" Preis erfolgt. Der aktuelle Wert des seit 1946 im Kunsthistorischen Museum Wien beheimateten Gemäldes - der in dem Ansuchen um Restitution der fünfköpfigen Erbengemeinschaft nach Jaromir Czernin eine Rolle spielen könnte, ist alles andere als leicht ermittelbar. In der Realität existiert kein Vermeer-Markt: Alle unstrittigen Gemälde befinden sich in Museen, Queen Elizabeth wird sich als einzige Privatbesitzerin eines Vermeers weltweit kaum von ihrer Musikstunde trennen.

Auf Anfrage verweigert das KHM die Bekanntgabe des Einzelversicherungswerts des zuletzt etwa nach New York (2001) oder Tokio (2004) verliehenen Werkes. Auch Christie's und Sotheby's wollen dazu nicht Stellung beziehen, da man Schätzwerte nur für bei ihnen eingebrachte Kunstwerke veröffentlichen würde.

Wie hoch könnte also der - von der Familie Czernin angeregte und ungeachtet des Ausgangs - aktuelle angemessene Wert sein? "Was immer ein großes internationales Museum zu zahlen bereit ist" , erklärt Roman Herzig. Angesichts des Status der Malkunst innerhalb des Œuvres von Vermeer und als Inkunabel der holländischen Malerei schätzt er sie auf ein Vielfaches eines guten Rembrandts, also 150, wenn nicht 200 Millionen Euro.

Und dafür gäbe es derzeit Käufer? "Selbstverständlich. Ich fürchte, man wird mich nicht fragen" , so Österreichs einziger Altmeisterhändler von internationalem Rang, "aber ich habe da eine Vorstellung, wohin ich es vermitteln könnte". (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 12./13.09.2009)