Experimentieren, völlig ohne Erfolgszwang: Diesen Traum jedes Kunsthandwerkers bewirkte die Wiener Werkstätte (WW) in den 1917 gegründeten Künstlerwerkstätten. Zum Bestseller avancierten die in diesen Versuchslabors und fast ausschließlich von Künstlerinnen kreierten Keramiken, weshalb sie von zeitgenössischen Polemikern auch gerne als "Weiberkunst der Hofratstöchter" bezeichnet wurden.

Stilistisch leiteten diese bunten Arbeiten die endgültige Abkehr vom Purismus der Jahrhundertwende ein. Statt von exakter Modellierung - wie bei Berthold Löffler und Michael Powolny - "lebten" diese Keramiken vom freien künstlerischen Ausdruck. Als wesentlichster Gestaltungsträger galt die Glasur, nicht makellose Glätte war gefragt sondern eine durch Verrinnen, Farbbläschen und unscharfe Grenzen erzielte Spontaneität.

Dieser Symbiose aus Handwerk und künstlerischem Anspruch verschrieb sich auch Vally Wieselthier, die für die WW die stattlichste Menge an Original- und Serienkeramiken schuf. In ihr, so die Fachliteratur, manifestierte sich Josef Hoffmanns Credo, den Erfindungsgeist, nicht den Nachahmungstrieb spielen zu lassen. Zum überwiegenden Teil widmete sich die auch als "wildes Wiesel" bezeichnete Künstlerin der Keramik, Metall- und Glasarbeiten blieben eine Minderheit. Diese Gewichtung spiegeln auch der Markt - und die zehn höchsten Auktionsergebnisse - sowie die Preisentwicklung seit Mitte der 90er-Jahre wider. Eine erste Kapriole verzeichnete im Kinsky 1996, als die Originalkeramik Yak (1928) für netto 160.000 Schilling (11.891 Euro) den Besitzer wechselte, eine Initialzündung für die Bewertung von Keramiken dieser Epoche im Allgemeinen und Wieselthier im Speziellen.

Im direkten Vergleich blieben Glasarbeiten von Vally Wieselthier bislang völlig unterbewertet. Lediglich 34 Modelle listet das Werkverzeichnis, eine zu kleine Menge, um eine vergleichbare Preisentwicklung zu ermöglichen. In den vergangenen zehn Jahren finden sich in Österreich nur drei Auktionsergebnisse, die alle unter 3600 Euro lagen. Eines dieser seltenen Objekte, datiert auf 1917, gelangt am 18.September (Jugendstil) im Dorotheum zur Auktion: Die Form der Glasschale dürfte von Josef Hoffmann stammen, das Dekor von Vally Wieselthier. Laut Werkverzeichnis sind lediglich zwei Ausführungen bekannt, eine befindet sich im Passauer Glasmuseum, die andere harrt jetzt für taxierte 1200-1500 Euro eines neuen Besitzers. (Olga Kronsteiner, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 12./13.09.2009)