Impression in der Sackgasse - Paul Signac rastert 1898 seine Eindrücke: "Capo di Noli".

Foto: Wallraf-Richartz-Museum, Köln

Wien - Ganz zu Recht gilt der Impressionismus als eine der guten unter den Kunstgattungen ohne "derpackbare" Zahl. Weil: Erstens ist er alt. Und zweitens kann er nichts für die heftigen Reaktionen auf ihn, die von getriebenen Historikern als Weiterentwicklung, als Fortschritt, als ungehemmte Expression schubladisiert wurden; und stur weiter werden. Mit pausbäckigen blonden Kindern unter Stockrosen war die Welt von heute aus gesehen noch in Ordnung.

Die Flecken auf den Leinwänden ergeben letztendlich doch noch ein Bild, unter dem sich ebenso etwas vorstellen wie ein Sofa platzieren lässt. Und, ganz wichtig: Sotheby's wie Christie's und auch Phillips de Pury & Company finden den Impressionismus auch gut. So gut, dass sie ihm regelmäßige Evening-Sales widmen, die am Anfang des nächsten Morgens immer in einer Rekordvermeldung münden. Die Auktionshäuser tun das aus einem Servicegedanken heraus: Weil "der Kunde" den Impressionismus eben so gerne hat.

Und eben lieber exklusiv am Abend ausgeht und -gibt, als nüchtern bei Tageslicht mitbietet. (In jenem Licht, in dem dann seit Einführung der geladenen Dämmerverkäufe aber auch wirklich jeder Ungebetene bei Ware zweiter Kategorie zuschlagen kann!) Das Schöne am Impressionismus aber ist, dass er auch Leute anzieht, die nicht im Traum daran denken würden, so ein Originalbild auch zu kaufen. Es sei denn als Poster oder Postkarte oder Kalender oder als liebevoll ausgewähltes Detail auf einer plein-air-tauglichen Krawatte, die dann ebenso das Licht des Trägers betont wie dessen Frische und Offenheit. Letztere braucht er auch, wird doch das eindrucksvolle Motiv in der Regel alla prima, also unmittelbar und ohne Korrekturmöglichkeit auf die immerhin grundierte Krawatte aufgebracht.

Nass in nass für alle

Für all das gibt es in der Albertina jetzt einen eigenen Shop. Der ist praktischerweise gleich an das Ende der Ausstellung (die heißt Impressionismus - Wie das Licht auf die Leinwand kam) gekoppelt und völlig hasenfrei. Dafür aber kann man dort Regenschirme erstehen, die mit Nass-in-nass-Malerei der Witterung trotzen helfen sollen.

Und: Originale gibt es auch. Keines davon spitze, aber allesamt gut. Manche sogar so gut, dass sich mit der Lupe noch erkennen lässt, dass der Maler nicht gebadet, sondern mit Pinsel und Staffelei bewehrt dem Wind am Strand getrotzt hat, und also die Warm-kalt-Kontrastierung der Farbe dem unmittelbaren Erleben entsprungen ist - wie Sandkörner im Pigment beweisen.

Die Besucher können diesen harten künstlerischen Alltag fast unmittelbar nacherleben: Originale Malutensilien und -Behelfe, Staffeleien und Tuben finden sich aufgebahrt, als wären sie immer noch "plein air" und "sur le motiv", man braucht sich bloß die Klimaanlage unterm Dach der Albertina wegzudenken und das Kunstlicht und die Historiker, die jetzt die sensationelle Mobiliät der Impressionisten würdigen.

Aber halt: Gerade bei Gattungen, über die vermeintlich schon alles gesagt worden ist, bei denen das Wissen über sie vom konspirativen Ort des Geheimtipps längst auf den Gemeinplatz übergesprungen ist, gilt es mit den Mitteln der Didaktik aufklärerisch tätig zu werden. Oder, wie Klaus Albrecht Schröder, der Direktor des jüngsten Vorreiters aller Universalmuseen, der Wiener Albertina, die besonderen Umstände im Umgang mit dem gemalten Impressionismus auf den Punkt bringt: "Den Impressionismus als wiederholt vermarktete Kunstrichtung, über die scheinbar schon alles gesagt und gezeigt wurde, spannend und facettenreich zu präsentieren ist heute fast schon selbst zur Kunst geworden."

"Schröderismus" als Methode auszusprechen verbietet ihm die Bescheidenheit. Auch wenn er doch ehrlich sagen muss: "Wenn es uns dennoch gelungen ist, dann durch einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen. Nämlich dadurch, dass wir auf Basis des Forschungsprojektes ,Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus' (des Wallraf-Richartz-Museums, Köln, das die Ausstellung konzipiert hat) Kunsttechnologie und Kunstgeschichte auf eine gleichberechtigte Stufe stellen."

Dass der Impressionismus immer noch nicht in seinem vollen Umfang in den Kanon des gemeinen Wissens übergegangen ist, greift die Werbung zur Schau anprangernd auf: "Monet, Renoir, Cézanne, Degas, Lautrec", zitiert sie die großen Namen. Für Pissarro etwa würde ja doch keiner Eintritt zahlen. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.9.2009)