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Bunt trieb es der Grafikdesigner und Illustrator Heinz Edelmann. Die Arbeit als Art-Director für den Beatles-Film Yellow Submarine brachte ihn an den Rand des Wahnsinns inklusive Herz-Kreislauf-Problemen.

 

Foto: Archiv

Er entwarf die Blaumiesen und erfand das gelbe U-Boot der Beatles. Außerdem prägte der Grafiker Heinz Edelmann Generationen von Zeichnern
Für den Spiegel war es 1968 der "beste Film, den die Beatles jemals nicht gedreht haben", für den Art-Director Heinz Edelmann aber, dessen Arbeit bis heute vor allem mit dem Beatles-Film Yellow Submarine verbunden wird, war es der blanke Horror: Elf Monate lang habe er zwanzig Stunden Tag und Nacht am Zeichenbrett gesessen, berichtet er später. "Ich hatte mich auf ein Abenteuer eingelassen, das ich mit knapper Not überlebt habe und brauchte bis 1972, bis ich davon wieder loskam." Er schlief nur jede zweite Nacht, verbrannte sich, als er nächtens über einem elektrischen Heizofen einnickte, verlor zeitweise das Sehvermögen und bekam Herz-Kreislauf-Probleme.

Das chaotische Filmprojekt brachte den Kunstlehrer, der an der Kunstakademie in Düsseldorf studierte hatte, an den Rand seiner Kräfte. Es begann im August 1967 ohne Script oder Storyboard und verschliss bis zur Premiere im Juli 1968 ein Dutzend Autoren. Konzipiert war es als Folgeprojekt banaler Beatles-Cartoons, die im amerikanischen Fernsehen liefen, und sollte doch ganz anders sein. Produziert wurde in London, weil es damals dort besonders billig war.

Einer aus dem Team kannte Edelmanns Illustrationen für die Zeitschrift twen, für die er seit Anfang der 1960er-Jahre arbeitete. Weil ihm Story und Charaktere zu banal erschienen, dachte er sich über Nacht die Bösewichte des Films aus, die Blue Meanies, wahre Spaßbremsen, die dem hippiesken Treiben im utopischen Pepperland vorerst ein Ende bereiten. Für Edelmann die Chance, das Projekt endlich in den Griff zu bekommen. Für jede einzelne Szene schuf er das gestalterische Szenario. Surreale Elemente und Figuren, die an Art nouveau und das Formrepertoire des 19. Jahrhunderts erinnerten, kontrastierte er mit einem opulenten Farbfeuerwerk, das den Zeitgeist der späten 1960er-Jahre einfängt.

"Der Film hangelt sich von einem schweren handwerklichen Fehler zum nächsten", bekennt er 2008 im Interview mit dem WDR. "Im Grunde gibt es aber zwei zeitgenössische Dinge, die man heute noch darin wiederfindet: Das eine ist eine ungeheuere Unschuld, eine Naivität, die damals wirklich vorherrschend war. Das andere ist eine neurotische Atmosphäre, die auch viel über die Zeit verrät. Damals hat ja jeder der Beteiligten seine Neurosen in diesen verfluchten Film eingebracht."

Kein Fan von Popmusik

Inspirierten ihn eigene Erfahrungen mit Drogen? Hat er nie genommen, sagte er, wenn schon, dann Alkohol. "Für meine Arbeit zählt nicht die Inspiration, sondern der Prozess logischer Reduktion", sagte er einmal. Stattdessen las er Doors of Perception von Aldous Huxley und unterhielt sich darüber mit John Lennon. Der Schöpfer psychedelischer Bildlandschaften behauptete: "Ich war nie der große Popmusik-Adept." In Interviews versuchte er immer wieder zu erklären, wie viel Kraft es ihn koste, die Folgen des Filmes zu überwinden: gesundheitlich, künstlerisch und mental. Heinz Edelmann, 1934 in Aussig in der Tschechoslowakei geboren, wechselte den Standort. Von London kam er nach Deutschland zurück. Da ihm die politischen Extreme der späten 1960er zuwider waren, der kritische Impuls als vordergründig erschien, ging er mit Familie nach Amsterdam, lehrte in Den Haag, später kam mit der Akademie der Künste in Stuttgart ein Lehr- und Arbeitsort hinzu.

Die Jahre 1968 bis 1973 habe er aus seinem Werk getilgt. Nun wollten seine Auftraggeber vor allem den Pop-Edelmann buchen, von einer "Edelmania" schrieb gar der Spiegel. Wieder arbeitete er mit Willy Fleckhaus zusammen. Mit dem "ersten deutschen Zeitschriften-Art-Director" (so Edelmann 1995 über Fleckhaus) verbanden ihn gemeinsame Designvorlieben. Fleckhaus hatte Edelmann zu twen geholt. "Seine Linien und Farben durchzogen das Heft, wucherten über die Seiten hinaus, umklammerten die Betrachter. Edelmanns Flora und Fauna waren nie von dieser Welt", (so Fleckhaus 1974 über Edelmann). Beim WDR waren sie Partner: Fleckhaus gestaltete für die Presseabteilung Programmbücher im Taschenbuchformat, Edelmann anspruchsvolle Plakate für Hörfunk und Fernsehen, die "poetisch und emotional, voller Individualität eine Synthese zwischen Werbung und Kunst bildeten", wie der langjährige WDR-Intendant Friedrich Nowottny schrieb. Immer wieder verschob Edelmann seine Tätigkeitsfelder. So lieferte er Illustrationen für das Frankfurter Allgemeine Magazin. Seine chimärenhaften Figuren wirken mal beunruhigend, mal urkomisch. Es sind bodenlose Gestalten, deren Metamorphose nie abgeschlossen ist. "Sein Strich wurde immer grimmiger", behauptete Fleckhaus, "er verfluchte das Perfekte seiner Technik."

Bruch mit alten Regeln

"Es hat Spaß gemacht, Buchumschläge zu machen, als man damit helfen konnte, Autoren oder Programme durchzusetzen", sagte Edelmann, als er bald nach Yellow Submarine eine gelbe Taschenbuchserie, die "Reihe Hanser", konzipierte. Höchst abwechslungsreich präsentierte er darauf Illustrationen und Textblöcke, lockte ins Buch. Als sich 1977 die Traditionsverlage Klett und Cotta zusammenschlossen, schuf Edelmann ein dynamisches Erscheinungsbild, das bewusst die Verbindung zur alten Umschlagtypografie kappte. Edelmann orientierte sich an modernen Alltagsmedien: Plakat, Magazindesign und Film. Die Zeit der Buchgrafik sei vorbei, zog Edelmann sein Resümee. Und doch bewies er: Die Gestalt eines Erscheinungsbild kann in Differenziertheit bestehen, in liebevoller Neuerfindung statt plattem Wiederholungszwang. Heinz Edelmann starb am 21. Juli im Alter von 75 Jahren in Stuttgart. (Thomas Edelmann / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.9.2009)
(Der Autor ist nicht mit Heinz Edelmann verwandt.)