Kunststaatssekretär Franz Morak

Foto: STANDARD/M. Cremer
Kunststaatssekretär Franz Morak wünscht sich im Gespräch mit Thomas Trenkler eine Umverteilung der Mittel zugunsten der Kultur in den Bundesländern. Und ein Europa über die Grenzen der Beitrittsländer hinaus.


STANDARD: Ernst Woller, Kultursprecher der Wiener SP, klagte: "Der Bund kürzt nachweislich bei Kultureinrichtungen in Wien zehn bis 15 Prozent pro Jahr, das hat katastrophale Auswirkungen und kostet uns 15 Millionen Euro pro Jahr." Nach Lektüre Ihres Kunstberichts für das Jahr 2001 kann man nicht nachvollziehen, wie Woller auf diese erstaunlich hohe Summe kommt: Die massiven Kürzungen des Jahres 2000 wurden 2001 vielfach wieder rückgängig gemacht.

Morak: Die Behauptung des Herrn Woller ist nicht richtig und auch nicht nachvollziehbar. Dem Kunstbericht 2001 kann man unschwer entnehmen, dass der Bund nie zuvor derart viel in diesem Bereich ausgegeben hat. Auch wenn es sich zum Teil um Sonderinvestitionen - u. a. für die Renovierung des Wiener Musikvereins - und vorgezogene Subventionen für die Kulturhauptstadt Graz 2003 handelt.

STANDARD: Sie streben aber eine Umverteilung zugunsten der Bundesländer an.

Morak: Es geht mir um eine Verteilungsgerechtigkeit. Der Bund gibt 75 Prozent seiner Kulturausgaben in Wien aus, ohne die Bundestheater sind es immer noch 45 Prozent. Natürlich stehen wir zu den Flaggschiffen, den Bundestheatern und -museen. Aber gleichzeitig müssen wir dort, wo etwas passieren kann, an der Peripherie, Kunst und Kultur ermöglichen. Ich habe zum Beispiel in Oberzeiring einen hinreißenden Shakespeare erlebt. Und auch mit dieser Kulturproduktion wollen wir uns schmücken.

STANDARD: Aber gerade für die Kulturinitiativen gab es weniger Geld: Das Budget der zuständigen Abteilung sank zwischen 1999 und 2001 von 4,29 auf 3,69 Millionen Euro.

Morak: Für die Förderung der Kunst in den Bundesländern ist ja nicht nur die Abteilung 8 zuständig. Zudem fördern wir nicht mehr die freien Radios. Denn es ist fragwürdig, Radios über die Kunstförderung zu finanzieren. Wenn, dann über die Medienförderung.

STANDARD: Diese ressortiert ebenfalls bei Ihnen.

Morak: Ja. Wir sind aber der Ansicht, dass das Sache der Gemeinden sein muss. Wenn eine Region ein eigenes Radio haben will, dann hat sie dieses auch zu finanzieren.

STANDARD: Was ist Ihr Ziel bezüglich Umverteilung?

Morak: Ich möchte jetzt nicht die Hauptstadt gegen die Peripherie ausspielen. Es geht mir um eine Trendumkehr. Die Umverteilung fällt nicht herunter wie ein Schafott, und ab morgen ist es anders.

STANDARD: Mitte Mai wird in Linz das Lentos eröffnet, ein exemplarischer Bau für die Neue Galerie. Die Stadtväter sind sehr erbost, weil der Bund keinen Cent locker machte.

Morak: Es gibt eine berechtigte Forderung von Oberösterreich, einen größeren Anteil vom Kuchen, den wir verteilen, zu bekommen. Aber nicht bei einem städtischen Museum. Die Kunsthäuser müssen von den Gemeinden bezahlt werden. Siehe Bregenz.

STANDARD: In Graz hat sich der Bund sehr wohl beteiligt.

Morak: Wegen der Kulturhauptstadt. Wie schon gesagt: Die Umverteilung erfolgt nicht von heute auf morgen. Weil wir auf gewachsene Strukturen Rücksicht nehmen.

STANDARD: In Wien wird Ihr Vorgehen parteipolitisch gesehen: Gekürzt wird, weil Wien rot ist.

Morak: Ich sehe mich in der Kulturpolitik nicht als Parteipolitiker. Und kann nicht erkennen, ob auf der Bühne ein roter oder schwarzer Schauspieler steht. Ich weiß nur, er gibt Shakespeare oder Sartre.

STANDARD: 2001 wurden die Tiroler Festspiele Erl plötzlich mit 381.532 Euro bedacht. Diese hohe Summe wurde ausgezahlt, weil sich Exvizekanzlerin Susanne Riess-Passer für Erl stark gemacht hatte.

Morak: Nicht nur Riess- Passer. In Erl wird eine verdienstvolle Arbeit geleistet. Und ich habe diese Ausgabe natürlich auch als Faustpfand bei der Verhandlung über eine Erhöhung der regionalen Kunstförderung genommen.

STANDARD: Der Verein "Art & Vision, Kunst und Kultur für Völkerverständigung" erhielt die respektable Summe von 436.037 Euro. Er betreute die Initiative "Kunst gegen Gewalt", die Sie Mitte Februar 2002 vorstellten. Warum ist die Förderung schon im Jahr 2001 verbucht? Und warum wurde sie in der Abteilung Film und neue Medien versteckt?

Morak: Das weiß ich nicht. Ich schaue mir das gerne an.

STANDARD: Sie haben nun eine weitere Legislaturperiode vor sich. Was wollen Sie erreichen?

Morak: Ich glaube, dass Kultur einen politischen Auftrag insofern hat, dass wir an einer Erweiterung arbeiten sollen, die über die EU-Beitrittsländer hinausgeht. Der Kulturraum sollte definiert werden, wie er ist. Nicht nur Shakespeare ist ein Europäer, sondern auch Dostojewski.

STANDARD: Und Atatürk?

Morak: Er selbst wird sich als Europäer begriffen haben. Aber lassen Sie das jetzt. Ein wesentlicher Punkt ist für mich zudem, im Ausland die Darstellung der kulturellen Leistungen Österreichs zu forcieren. Zum Beispiel bei Kunstmessen und Biennalen.

STANDARD: Laut Regierungsabkommen wollen Sie - wie auch schon im Jahr 2000 angekündigt - steuerliche Maßnahmen zur Belebung des Kunstmarktes und -sponsorings schaffen.

Morak: Ja, das ist ein Ziel im Rahmen der Steuerreform. Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Staat den gesamten Kulturbereich finanziert. Aber es gibt heute Bereiche, die sich nicht mehr über den klassischen Weg finanzieren lassen. Da sind wir auf Beteiligungen von zumindest 50 Prozent der Wirtschaft angewiesen. Beispielsweise bei der Filmfinanzierung. Damit aber die Privatwirtschaft einsteigt, muss es steuerliche Anreize geben.

STANDARD: Das bedeutet aber, dass der Finanzminister weniger Steuereinnahmen lukriert. Und folglich Ihnen weniger zur Verteilung überlassen wird.

Morak: Bringen wir den Finanzminister nicht auf falsche Gedanken! Die Förderung der traditionellen Kulturtechniken darf deshalb nicht verringert werden.

STANDARD: Stichwort Film: Wie geht es mit dem Österreichischen Filminstitut weiter? Der Vertrag von Direktor Gerhard Schedl läuft 2004 aus.

Morak: Es ist wesentlich, dass wir in diesem Bereich mehr Geld in die Hand nehmen, sowohl für den Arthouse-Film wie auch den - im sehr kommerziellen Sinn gedachten - Filmstandort Österreich. Das will ich ausbauen, das ist vordringlich. Und dann reden wir über alles andere.

STANDARD: Dennoch ein Wort zur Diagonale: Die Grazer Stadtväter fordern angesichts einer "Finanzierungspartnerschaft" auch ein Mitspracherecht bei der anstehenden Neubestellung der Intendanz.

Morak: Wir sind immer ganz gut gefahren, weil wir Verantwortungen festgemacht haben. Diese Praxis sollten wir beibehalten.

STANDARD: Das bedeutet, Sie bestimmen die Intendanz?

Morak : Ja. So steht es in den Statuten. (DER STANDARD, Printausgabe vom 26.3.2003)