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"Für uns ist Ehe und Familie nicht gleichzusetzen mit jeder x-beliebig zusammengewürfelten Lebensgemeinschaft." Peter Ramsauer über das Familienbild der Christsozialen.

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"Was in den Augen mancher Beobachter vielleicht als eigenwillig daherkommt, ist Politik Formulieren in der Breite unseres Spektrums." Ramsauer (re.) mit Angela Merkel (mi.) und CSU-Chef Seehofer.

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Der CSU-Spitzenkandidat möchte in den Wahlschlappen der CDU bei den Landtagswahlen am vergangenen Wochenende keinen Trend für die Bundestagswahl sehen und warnt vor einer Stimmabgabe für den Wunschpartner FDP. Warum die Grünen zukunftsfeindlich sind und warum gleichgeschlechtliche Partnerschaften die gesellschaftlichen Bindungskräfte schwächen, erklärt im Interview mit derStandard.at

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derStandard.at: Die CDU hat bei den Landtagswahlen am Wochenende insgesamt die höchsten Verluste aller Parteien erlitten. Woran lag das?

Peter Ramsauer: Wir haben mit einem durchwachsenen Ergebnis gerechnet. Im Saarland und in Thüringen ist diese Entwicklung für die CDU in der Tat ziemlich ausgeprägt. Gleichwohl bleibt aber, dass die CDU in allen drei Ländern stärkste Volkspartei bleibt und einzig verbliebene Volkspartei ist. Das kann man für die SPD nicht sagen. Wie dramatisch es um die SPD bestellt ist, zeigt die Tatsache, dass bei zwei dieser drei Wahlen die SPD noch hinter den Linken gelandet ist. Wenn man die Ergebnisse zusammenrechnet, ergibt sich für die SPD ein Minus. Im Saarland haben sie das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielt.

Für uns als Union heißt das, dass die Bundestagswahl selbstverständlich noch lange nicht gewonnen ist, sondern, dass wir jetzt mit Vollgas in die letzten vier Wochen des Wahlkampfs gehen müssen. Was ich von der SPD verlange ist, klar Farbe zu bekennen, ob sie Linksbündnisse eingeht oder nicht. Denn wer auf Landesebene Linksbündnisse eingeht, ist auf der Bundesebene nicht weit davon entfernt. Die Wähler haben einen Anspruch, darüber vor der Bundestagswahl Klarheit zu haben.

derStandard.at: Sie haben jetzt sehr viel über die SPD gesprochen, aber die Frage nach den Gründen für die Verluste der CDU nicht beantwortet. Lag es an der jeweils speziellen Situation in den Ländern, an den handelnden Personen oder an einer FDP, die erfolgreich im bürgerlichen Lager reüssiert?

Peter Ramsauer: Die FDP wildert zweifellos im Stimmenlager von CDU und CSU. Allerdings muss man die drei Landtagswahlen differenziert betrachten. In Sachsen haben wir eine Situation, die für die CDU erfreulich ist. In einem Land, dass in DDR-Zeiten zu den sozialistischsten gehörte, ist nach wie vor eine für die CDU sehr nachhaltige positive Stimmungslage vorhanden. Sachsen steht dafür, was wir auch nach der Bundestagswahl wollen: Nämlich die Ablösung der Großen Koalition durch eine schwarz-gelbe Mehrheit.

In den beiden anderen Ländern haben wir es mit Sonderfällen zu tun. Im Saarland müssen wir auch immer die Größenordnung bedenken. Dort leben nur ein Prozent der Bevölkerung Deutschlands. Es spielen Sonderfaktoren eine Rolle, wie das Antreten von Oskar Lafontaine mit seiner Vergangenheit als Saarbrücker Bürgermeister und späterer Ministerpräsident. Das löst natürlich besondere politische Unwuchten aus.

In Thüringen mag der furchtbare Skiunfall von Ministerpräsident Dieter Althaus eine Rolle gespielt haben. Daneben hat Thüringen auch nicht eine so hohe Anzahl an Wählern. Alle drei Länder zusammengenommen haben weniger Einwohner als Nordrhein-Westfalen, wo am Sonntag Kommunalwahlen stattgefunden haben. Insofern ist es schwierig, aus diesen drei Landtagswahlen eine schlüssige Parallele für die Bundestagswahl zu ziehen.

derStandard.at: Können diese Wahlergebnisse auch der Tritt sein, den die Union gebraucht hat, um endlich einen richtigen Wahlkampf zu machen?

Peter Ramsauer: Ein solches Wahlergebnis darf natürlich nicht beschönigend beiseite gelegt werden. Das rüttelt uns in allen Bereichen von CDU und CSU auf. Für uns als CSU ist es noch einmal zusätzlich Ansporn, erstens unsere Inhalte, unsere Markenkerne als bürgerlich konservativ liberale Partei noch stärker herauszuarbeiten. Und zweitens klarzumachen, dass der Freistaat Bayern als einziges Bundesland das Privileg hat, eine eigene Partei auf Bundes- und Europaebene zu haben und dass das einzig zuverlässige Sprachrohr Bayerns die CSU ist.

derStandard.at: Es drängt sich der Eindruck auf, dass auch jetzt noch kein wirklicher sachthemenbezogener Wahlkampf entstehen will. Es bleibt unklar, was die einzelnen Parteien wirklich wollen und vor allem taucht die Krise und wer was gegen sie unternehmen will, überhaupt nicht auf.

Peter Ramsauer: Dem kann ich so nicht zustimmen. Wenn sie sich die Zeit nehmen, um sieben Tage die Woche jeden Tag zehn bis fünfzehn Stunden auf Achse zu sein, würden sie wahrscheinlich anders sprechen. Das Thema Wirtschaftskrise ist der rote Faden, der sich durch den Wahlkampf zieht. Wenn ich während einer eineinviertelstündigen Rede allein eine halbe Stunde darüber rede, dann ist es auch in einem großen Zelt mit vielen Menschen mucksmäuschenstill.

derStandard.at: Dann sprechen wir über ein konkretes Thema, und zwar die von der Union anvisierten Steuersenkungen. Da hat man den Eindruck, dass dieses Ziel in den vergangenen Wochen von der Union selbst in den Hintergrund geredet wird.

Peter Ramsauer: Wenn dieser Eindruck entsteht, dann müssen wir dies umso stärker in den Vordergrund stellen. In der Tat ist unsere Steuerpolitik und die Senkung der Einkommenssteuer ein zentrales Instrument für einen nachhaltige positive Wirtschaftsentwicklung in den kommenden Jahren. Wir brauchen weitere Einkommenssteuersenkungen als eine wichtige Investition in die Zukunft unseres Landes.

derStandard.at: Sie haben im Wahlkampf mehrmals vor einer Stimmabgabe für die Liberalen gewarnt. Sie seien zu wenig bürgerlich und bei der FDP stecke nicht das drin, was bei der FDP draufsteht. Gleichzeitig ist die FDP ihr ausdrücklicher Wunschpartner für eine Koalition. Aber wie wollen sie denn thematisch zusammenkommen, wenn die FDP so wenig bürgerlich ist, wie sie sagen?

Peter Ramsauer: Die Frage von Koalitionen ist die Frage danach, mit welchen politischen Partner man die größten Schnittmengen hat, um zentrale Aufgabenfelder zu bedienen. Für die kommende Legislaturperiode sind dies ohne Zweifel die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Steuerpolitik und die Energiepolitik. Dafür haben wir mit der FDP ganz ohne Zweifel die allergrößten Schnittmengen und ich freue mich, hier wirklich vernünftige Politik machen zu können.

Jetzt gibt es den Einen oder den Anderen, der meint, eine bürgerliche, schwarz-gelbe Koalition könne man nur dadurch sicherstellen, indem man mit der Zweitstimme FDP wählt. Ich sage ganz klar: Das ist ein fundamentaler Irrtum. Eine Zweitstimme für die FDP kann auch eine Stimme für eine Ampelkoalition sein, wenn von der SPD versucht wird, gemeinsam mit den Grünen eine Koalition zu bilden und es wider Erwarten und wider der eigenen Hoffnung für schwarz-gelb nicht reicht.

Im Übrigen weisen wir in einer ganz emotionslosen Wahlaufklärung darauf hin, dass sich FDP-Wähler neben den wirtschafts-, finanz-, steuer-, und energiepolitisch kongruenten Vorstellungen mit der FDP auch einige andere Dinge einhandeln.

Beispielsweise den schnellstmöglichen Beitritt der Türkei in die EU, beispielsweise die Abschaffung der Wehrpolitik in Deutschland, beispielsweise eine von ethischen Leitplanken und Schranken befreite Embryonalzellenforschung und grüne Gentechnik. Also eine Reihe von Beispielen, die von mir gemeint sind, wenn ich sage, wo FDP draufsteht, ist noch lange nicht die bürgerliche Politik drin, wie sie sich der regelmäßig bürgerlich wählende Bürger vorstellt.

derStandard.at: Eine Farbkombination, die bisher im Wahlkampf kaum thematisiert wurde, ist die Möglichkeit, dass am Ende je nach Stimmenstärke vielleicht auch schwarz-grün möglich wäre. Was halten Sie davon oder beziehungsweise warum lehnen Sie das ab?

Peter Ramsauer: Schwarz-grüne Mehrheiten sehe ich weder numerisch noch vom Inhalt her möglich. Wenn die Inhalte der grünen Politik weiterhin von Leuten wie Jürgen Trittin, Renate Künast, Christian Ströbele und Konsorten festgelegt werden, dann ist das Lichtjahre von uns entfernt. Eine zukunftsfeindliche Politik, die Forschung und damit Zukunftsfähigkeit regelrecht an die Kette legt.

Eine Politik, die uns mit dem sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft in ein energiepolitisches Fiasko werfen würde. Eine Politik im gesellschaftlichen Bereich, die restlos losgelöst ist von einer Politik, die bei uns noch immer ihre Verankerung im christlichen Wertefundament hat - ich nenne nur das Stichwort "Raus mit den Kreuzen aus öffentlichen Gebäuden". So etwas hat mit uns keine gemeinsame Basis.

derStandard.at: Bleiben wir bei der Gesellschaftspolitik. Die Union lehnt die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ebenso ab wie ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Warum?

Peter Ramsauer: Ich werde häufiger als zu vermuten wäre, nach der Verankerung unserer Politik in einem Wertefundament gefragt. Wir sind alles andere als eine Kirchenpartei, aber wir sind zum einen tief verankert in den christlichen Glaubengrundsätzen. Zum anderen auch in dem, was das Grundgesetz vorschreibt: nämlich den besonderen Stand und Schutz von Ehe und Familie. Wir sind hier zweifellos von einem traditionellen Ehe- und Familienbegriff geprägt und leiten davon auch unsere Politik ab.

Für uns ist Ehe und Familie nicht gleichzusetzen mit jeder x-beliebig zusammengewürfelten Lebensgemeinschaft, auch wenn außer Frage steht, dass auch hier in gewisser Weise Verantwortung miteinander füreinander übernommen wird. Ehe und Familie sind die Keimzelle der Gesellschaft. Wenn das ausgehebelt wird, dann stirbt eben auch eine solche Keimzelle, die für die Gesellschaft von unverzichtbarer Bedeutung ist, wenn es um den Zusammenhalt von gesellschaftlichen Kernen geht. Wir dürfen die Bindungskräfte in der Gesellschaft nicht schwächen, sondern müssen sie stärken.

derStandard.at: Ihr Wirtschaftsminister zu Guttenberg ist mittlerweile der beliebteste Politiker Deutschlands...

Peter Ramsauer: Das ist großartig.

derStandard.at: Aber auch, weil er nicht als typischer CSU-Politiker wahrgenommen wird, sondern als Freigeist, der von außen kommt. Ist das ein Problem für die CSU?

Peter Ramsauer: Es ist keineswegs ein Problem, sondern es ist eine Chance, um die wir von anderen regelrecht beneidet werden. Vor allem Dingen dann, wenn es sich auch in Wählerstimmen niederschlägt, was der Fall sein sollte. Wenn Sie sagen Freigeist, dann mag das ein Punkt sein. Aber natürlich profitiert er davon und darum bin ich auch froh, dass er von all dem, was die Große Koalition an Ärgernissen für unsere Partei gebracht hat, in keiner Weise betroffen ist.

derStandard.at: Auf dem Parteitag im Juli wurden Sie mit einem Ergebnis von 78,9 Prozent in den Vorstand der Partei gewählt. Für den Spitzenkandidaten der CSU bei einer Bundestagswahl ist das doch ein schlechtes Ergebnis?

Peter Ramsauer: Es ist ein hervorragendes Ergebnis, knapp 80 Prozent in unserer differenzierten Partei zu erringen. Im übrigen war ich in der fünfköpfigen Führung der Partei der einzige, der im Vergleich zur vorherigen Wahl erheblich zugelegt hat. Obwohl ich derjenige bin, der in der gesamten Führung als CSU-Politiker für alles, was die Große Koalition an Mühsal bedeutet hat, am allermeisten in Anspruch genommen wird. Dazu stehe ich, ich kann dem gar nicht ausweichen. Insofern sehe ich das als Beweis dafür, dass man auch in schwierigen Zeiten ein gutes Wahlergebnis erreichen kann.

derStandard.at: Sie haben nach der Parteitagswahl ein Ende des Führungskults in der CSU ausgemacht. Aber gerade Ihr Parteichef Horst Seehofer kommt ziemlich eigensinnig daher und schreckt nicht davor zurück, Parteikollegen auch öffentlich abzukanzeln. Ist er nicht nur ein Edmund Stoiber in anderem Gewand?

Peter Ramsauer: Weder Stoiber hat andere abgekanzelt, noch Horst Seehofer. Wissen Sie, wir sind eine Volkspartei. Wir wollten immer Volkspartei sein. Eine Zeitung hat neulich sogar geschrieben, die CSU ist die letzte Volkspartei Deutschlands. Volkspartei müssen wir sein und Volkspartei sein zu wollen heißt, dass sich alle Schichten der Bevölkerung und alle Regionen des Landes Bayern bei uns politisch gut aufgehoben fühlen müssen.

Das heißt, wir müssen breitestmöglich das gesamte politische Spektrum abstecken. Was in den Augen mancher Beobachter vielleicht als eigenwillig daherkommt, ist Politik Formulieren in der Breite dieses Spektrums. Das ist erforderlich, denn täten wir es nicht, würden wir zu einer Klientelpartei, die wir niemals sein wollten. (Andreas Bachmann, derStandard.at, 2.9.2009)