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Helmut Zilk und Maria Loley im Jahr 1999. Beide waren Briefbombenopfer, beide Verfechter der Mehrtätertheorie

Foto: Reuters/ Robert Zolles

Bis zum Vorjahr hat es kaum Versuche gegeben, die oder den Bekennerbriefverfasser der "Salzburger Eidgenossenschaft Bajuwarische Befreiungsarmee" auszuforschen. Nach Helmut Zilk beruft sich nun auch Maria Loley auf die Aussage eines früheren Fahnders – Von Michael Simoner

Wien/Graz – Manche haben es schon immer gewusst, für andere ist es ein Ammenmärchen: dass der Briefbombenattentäter Franz Fuchs Komplizen gehabt hat. In die Reihe der Einzeltäter-Skeptiker hat sich nun auch Maria Loley öffentlich eingereiht. Die 85-jährige Grande Dame der Flüchtlingshilfe, die 1995 in Poysdorf selbst von einer Briefbombe schwer verletzt worden war, drängt laut profil und Österreich darauf, die Suche nach möglichen Mittätern nicht aufzugeben. Denn ihrer Meinung wäre es "Geschichtsfälschung", wenn das Verbrechen (siehe Grafik) nicht vollständig aufgeklärt werde.

Aussagen eines früheren Briefbomben-Sonderermittler

Wie der Standard berichtete, wurden bei der Staatsanwaltschaft Graz im Vorjahr – neuneinhalb Jahre, nachdem Franz Fuchs als Soloterrorist verurteilt worden war – entsprechende Ermittlungen aufgenommen. Grund dafür waren Aussagen eines früheren Briefbomben-Sonderermittlers, der aus seiner Meinung, dass hinter den damaligen Bekennerbriefen jemand anderer als Fuchs stecken müsse, nie ein Hehl machte.

Helmut Zilk gab den Anstoß

Obwohl das Rätsel um die Schreiben in den vergangenen Jahren unter anderen von Ex-Innenminister Caspar Einem und Ex-Sicherheitsdirektor Michael Sika bestätigt worden war, hatte es bis zum Vorjahr kaum Versuche gegeben, die oder den Bekennerbriefverfasser der "Salzburger Eidgenossenschaft Bajuwarische Befreiungsarmee" auszuforschen.

Erst nachdem der Wiener Ex-Bürgermeister Helmut Zilk (1993 selbst von einer Bombe schwer verletzt) wenige Monate vor seinem Tod im Vorjahr auf den "ungläubigen" Fahnder hingewiesen hatte, ließ die Justiz erneut ermitteln. Der Kriminalist hatte nämlich seinen Verdacht auch gleich auf eine konkrete Person gelenkt – auf einen Historiker aus Wien, der in der 1988 verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NDP) tätig war. Offenbar stehen aber auch diese Ermittlungen in Graz vor der Einstellung. Der Ex-Fahnder wirft der Justiz "Scheinermittlungen" vor, Maria Loley hat einen Antrag auf Weiterführung eingebracht.

Mehrere Spuren in rechtsradikale Kreise

Bei den seinerzeitigen Ermittlungen wurden laut Innenministerium 403 Personen auf eine mögliche Täterschaft überprüft. Es gab dabei auch mehrere Spuren in rechtsradikale Kreise. Ein früherer Arbeitskollege von Franz Fuchs war wochenlang observiert worden. Die beiden sollen unabhängig voneinander mit Nitroglycerin experimentiert haben. Auf einen anderen Neonazi aus dem angeblichen Bekanntenkreis von Fuchs hatte im Zuge des Prozesses der Schauspieler Alexander Wächter aufmerksam gemacht. Laut Polizei war aber kein Hinweise brauchbar.

Schon zuvor hatten sich Justiz und Polizei bei ihrer Tätersuche im rechtsextremen Milieu gewaltig in die Nesseln gesetzt. 1995 wurde drei Verdächtigen der Prozess gemacht, quasi zur Entlastung explodierten am ersten Verhandlungstag weitere Bomben, das Trio wurde in der Anschlagscausa freigesprochen. Auch der Verdacht gegen einen Ministerialrat aus dem Bundeskanzleramt sowie gegen den inzwischen verstorbenen "Ingenieur P." war haltlos.

Deutschtümelei

Die sieben Bekennerschreiben strotzen jedenfalls vor Deutschtümelei, wie sie vor allem älteren rechten Recken eigen ist. Von "Knallfröschen zu Unserem (sic) Krambambulicocktail" war beispielsweise im Schreiben nach der ersten Briefbombenserie im Jahr 1993 die Rede. Auch die zahlreichen, auf ein deutschnationales Weltbild zurechtgebogenen Exkurse deuten auf historisch versierte Personen hin, deren ausgeprägter Nationalfrust in Beschimpfungen wie "Tschuschenregierung" gipfelte. (Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe, 31.8.2009)