Mac OS X 10.6 "Snow Leopard" ist am 28. August für Intel-Macs erschienen.

Microsoft Exchange: Snow Leopard unterstützt von Haus aus Exchange 2007, ältere Versionen sind nicht kompatibel.

QuickTime X glänzt mit einer rahmenlosen Darstellung und Aufnahme-Funktionen.

Safari 4 ist mit Snow Leopard besonders Absturz-resistent geworden.

Previews: Die verbesserte Vorschau-Funktion des Finders lässt sogar Videos abspielen.

Exposé: Mehr Übersicht über geöffnete Fenster. Minimierte Fenster werden unter einer Trennlinie angezeigt.

Barrierefreiheit: Snow Leopard unterstützt von Haus aus 40 Braille-Anzeigegeräte und erleichtert mit VoiceOver die Computer-Nutzung für sehschwache Anwender.

Apple hat es an sich, dass alle paar Jahre ein Schlussstrich gezogen wird, um sich ganz und gar dem technologischen Fortschritt widmen zu können. Der letzte entscheidende Bruch geschah vor drei Jahren mit dem Wechsel von IBMs PowerPC- zur aktuellen Intel-Architektur.
Mit dem am Freitag erschienen Betriebssystem Mac OS X 10.6 "Snow Leopard" wurde der Umstieg abgeschlossen - von nun an werden nur noch Macs mit Intel-Prozessoren unterstützt.

Des Kaisers neue Kleider

Anwender des Vorgängers Mac OS X 10.5 "Leopard" werden nur wenige Neuerungen an der Oberfläche auffinden. Die kalifornischen Design-Fetischisten haben diesmal fast all ihre Kraft auf den Motor des Betriebssystems fokussiert und an der Systemleistung geschraubt. Die vorgenommenen Änderungen sind weniger augenscheinlich, als man das sonst von Apple gewohnt ist, aber sie sind Wegbereiter für die Zukunft der Mac-Plattform.

Sparsam und unkompliziert

Wie berichtet, können Leopard-Nutzer Upgrade um 29 Euro einfach über ein bestehendes System drüberinstallieren, ohne dass Daten verloren gehen. Anwender des Vorvorgängers Tiger sollen offiziell zwar nur die Vollversion mit iLife und iWork um 169 Euro beziehen. Wie berichtet, funktioniert aber auch hier das Upgrade für Snow Leopard. Optional zum Upgrade ist auch eine Neu-Installation möglich. Hierfür muss allerdings im Vornherein mit der Disk Utility die Festplatte formatiert werden.
Der Installationprozess von Snow Leopard ist vorbildlich. Mit nur einem Zwischenschritt und zwei automatischen Neustarts geschieht der Update-Vorgang in Rund 50 Minuten (abhängig vom jeweiligen Computer) praktisch von alleine. Aufgrund der Aussparung von Treibern für die PowerPC-Architektur und eine bessere Datenkomprimierung nimmt Snow Leopard rund 7 GB weniger Speicherplatz ein, als sein Vorgänger. Fehlende Treiber für Dritthersteller-Hardware sollen laut Apple im Nachhinein über das Internet geladen werden. Im Test mit einem knapp einjährigen MacBook war dies allerdings nicht notwendig.

64 Bit, mehr Kerne, GPU für Programme

Eine entscheidende technologische Änderung ist der Sprung von 32 Bit auf 64 Bit. Notwendig wurde dieser Schritt, da alle aktuellen Macs mit 64-Bit-Prozessoren und immer mehr GB an Arbeitsspeicher ausgeliefert werden. Nur mit 64 Bit ist es möglich, Arbeitsspeichergrößen von 4 GB oder höher zu adressieren und effektiv zu nutzen.
Gleichzeitig können nur solche Programme davon profitieren, die für 64 Bit geschrieben wurden. Apple hat deshalb alle Systemprogramme, wie den Finder darauf optimiert. Bis jede Software die Vorteile der 64-Bit-Architektur nutzen kann, wird es allerdings noch eine Zeit lang dauern. So werken etwa auch Apple eigener Media-Player iTunes und das Media-Center FrontRow in 32-Bit. Im Test zeigte sich, dass es bei der Anwendung von 32-Bit-Programmen unter 64-Bit zu keinerlei Problemen kommt.

Eine weitere neue Implementierung, die Anwendungen beschleunigen soll, ist Grand Central Dispatch. GCD koordiniert die die Datenströme, die an Mehrkernprozessoren gesendet werden, um das Maximum aus den Rechnern herauszuholen.
Gleiches gilt die neue Technologie namens OpenCL, die es Softwareentwicklern erlaubt die Ressourcen von Grafkkartenprozessoren für Programme anzuzapfen, ohne extra viel Arbeit in die Programmierung stecken zu müssen.

Nutzer merken von all diesen Verbesserungen noch kaum etwas, sie sollen vor allem die Arbeit von Softwareentwicklern vereinfachen. Geschwindigkeitsschübe darf man sich anfangs nicht erwarten. Es wird seine Zeit brauchen, bis Photoshop und Co. die Neuerungen adaptiert haben. Positiv wirken sich 64-Bit und Co allerdings jetzt schon auf die Handhabung des Betriebssystems aus. Vor allem die Benutzeroberfläche und der Finder scheinen rascher auf Befehle zu reagieren.

Feinschliff: Finder, Exposé, Dock, Stapel

An der Oberfläche wurden wie gesagt hauptsächlich subtilere Korrekturen vorgenommen, die jedoch den Workflow beschleunigen. Die Vorschau-Funktion des Finders erlaubt nun das Abspielen von Videos in der Icon-Ansicht und unterstützt jetzt noch mehr Datei-Formate. Das bedeutet, dass man Dokumente wie Excel-Tabellen oder Word-Dateien ansehen und nun auch durchblättern kann, ohne das dazugehörige Programm öffnen oder gar besitzen zu müssen. Eine Verfeinerung dieser Funktion betrifft PDFs. Mit Snow Leopard können in der PDF-Vorschau erstmals multiple Textspalten selektiert und kopiert werden. Über einen Regler kann die Größe der Icons beliebig eingestellt und der Auflösung des Displays angepasst werden.

Verknüpfung mit Überblick

Die Programm- und Datei-Verknüpfungsleiste, das Dock, hat ebenfalls einige Tricks dazugelernt. Um geöffnete Fenster schneller wiederfinden zu können, kommt die bekannte Expose-Funktion zu Hilfe. Mit einem Klick auf das Tastenkürzel oder der Vier-Finger-Geste bei neueren MacBooks werden alle geöffneten Fenster übersichtlich aufgereiht. In Snow Leopard werden auch Fenster aufgezeigt, die man zuvor minimiert hatte. Über die Tabulator-Taste kann durch die Fenstern geblättert werden.
Expose hat darüber hinaus auch im Dock Einzug gehalten. Fährt man über ein Programmsymbol und hält die Maustaste gedrückt, werden alle geöffneten Fenster dieser Anwendung aufgefächert. 

Seit Leopard lassen sich über so genannte Stapel Verknüpfungen von Ordnern in das Dock setzen, die eine rasche Vorschau auf den Inhalt liefern. Das Problem dabei ist, dass nur eine gewisse Auswahl von Dateien angezeigt wird. Um alles zu sehen, muss man in den Finder wechseln. Dieses Manko wurde mit dem Nachfolger behoben. Stapel können jetzt durchgescrollt werden und zeigen somit den gesamten Ordnerinhalt. Einzige Ausnahme: Der Download-Stapel. Merkwürdigerweise ist Apple hier bei der alten "Baum-Ansicht" geblieben.

Features zum Angreifen: QuickTime X, Exchange, Safari 4

Der Webbrowser Safari ist schon längere Zeit nutzbar und hat sich in seiner Form nicht geändert. Allerdings ist der Browser unter Snow Leopard nun besonders resistent gegen Abstürze. Verursacht etwa ein Plug-in für eine Webseite einen Fehler, wird dadurch nicht mehr der ganze Browser in Mitleidenschaft gezogen und es muss lediglich die betroffene Seite neu geladen werden.

Ein weiteres zentrales Feature von Snow Leopard ist die Unterstützung von Microsoft Exchange 2007. Damit können sich Mac-Nutzer nun auch mit Apples Email-Client "Mail", dem Kalender "iCal" und dem Adressbuch mit dem Exchange-Server ihres Unternehmens verbinden, ohne Microsoft-Software einsetzen zu müssen. Der Haken dabei ist, dass nur Exchange Server 2007 damit kompatibel sind. Bei älteren Version wie Exchange Server 2003 funktioniert die Synchronisation mit Snow Leopard nicht. Das ist insofern problematisch, da viele Firmen noch nicht upgegradet haben. Bei gegebener Unterstützung erlauben Apples Programme alle Funktionen, wie man sie bei Microsofts Outlook zum Arrangieren von Terminen und Meetings gewohnt ist. Die Bedienung ist jedoch einen Zacken intuitiver.

Alles Video

Die größte Überarbeitung ist dem Video-Player QuickTime unterfahren. QuickTime X ist optisch an den Video-Player des iPhones angepasst und integriert alle Funktionen, die bei Apple zuvor kostenpflichtig waren. Besonders stilvoll sind die rahmenlose Darstellung und das transparent eingebettete Bedienfeld. Neu ist, dass man mit QuickTime Videos aufnehmen und wie beim iPhone Trimmen kann. Alternativ können reine Audio- und Bildschirm-Aufnahmen (zu Schulungszwecken etwa) erstellt werden. Praktisch: Erstellte Videos lassen sich direkt auf Youtube oder MobileMe hochladen - ein Account vorausgesetzt. Die Formatierung übernimmt die Software selbstständig. Das dient auch anderen Apple-Produkten. Videos lassen sich mit wenigen Arbeitsschritten für iPhones/iPods oder AppleTV konvertieren. Produkte von Fremdherstellern werden leider nicht unterstützt.

Mangelhaft bei QuickTime X ist immer noch die Unterstützung von alternativen Video-Formaten. Für "Divx" oder "Avi" müssen nachträglich Codes installiert werden. Eine gute und freie Sammlung bietet etwa Perian.

Barrierefreiheit, Sicherheit und Netzwerk

Für sehschwache Computer-Nutzer stehen diverse Bedienungshilfen bereit. VoiceOver ermöglicht blinden Anwendern zu verstehen, was am Bildschirm vor sich geht. Des weiteren werden neue Gesten auf Multitouch-Trackpads und von Haus aus 40 Braille-Anzeigegeräte unterstützt.
Eine Bedienungshilfe für alle Anwender bringt CoreLocation mit sich. Sofern man es zulässt kann diese Technologie über WLAN den Standort des Computers lokalisieren und so auch automatisch die Zeitzone anpassen.

Mit Tiger hat Apple File Quarantine eingeführt, die Schadsoftware isolieren soll. Das System spürt Schädlinge automatische auf und gleicht die Informationen über Malware-Signaturen ab. In Snow Leopard wird der Anwender beim Auffinden einer Schaddatei über eine Dialogbox gewarnt und aufgefordert den Schädling in den Papierkorb zu manövrieren. Wie gut das funktioniert, wird sich wohl erst im Alltagseinsatz zeigen. Apple verspricht, dass File Quarantine über das Internet automatisch auf den neuesten Stand gebracht wird.

Fazit

Apple hat sich mit Snow Leopard offensichtlich auf die wesentlichen Aspekte konzentriert. Es ist zu hoffen, dass Softwarehersteller die neuen technologischen Grundlagen bald nutzen können und mit 64 Bit, Grand Central Dispatch und OpenCL ihre Programme optimieren. Schon jetzt merkt man in der Anwendung die zahlreichen kleinen Feinschliffe am System und an der Benutzeroberfläche. Dem Drang nach Perfektion fiel leider die PowerPC-Architektur zum Opfer. Allein aufgrund der mangelnden Universalität hinkt also der Vergleich mit anderen Betriebssystemen wie Windows oder Linux. Im Zusammenspiel mit einem aktuellen Intel-Mac jedoch ist Snow Leopard schlicht ein unerreicht komfortables und sehr schnelles Betriebssystem, das kaum Wünsche übrig lässt.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 30.8.2009)