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Bei den am Montag in New York beginnenden US Open schaut Daniel Köllerer in der ersten Runde den Amerikaner Mardy Fish an. Sein Blick wird stechend sein. Abgesehen davon hat sich Köllerer gebessert.

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Standard: Zum Positiven: Sie sind 61. der Rangliste, der zweitbeste Österreicher nach Jürgen Melzer. Wohin kann die Reise noch führen?

Köllerer: Weiter nach oben.

Standard: Sie sammelten Ihre Punkte großteils bei Challenger-Turnieren. Das ist sicher mühsam, entgeht aber dem breiten Publikum. Wann steigen Sie voll in die richtige ATP-Tour ein?

Köllerer: Ich bin ja auch schon dort. Man kann aber nicht Woche für Woche die großen Turniere spielen, weil es das Ranking nicht zulässt. Qualifikationen sind immer ein Risiko, da geht man lieber den sichereren Weg und gewinnt die kleinen Challenger. Millionär wird man zwar keiner, aber man macht Schritte nach vorn. Diese kleine Welt ist ein gute Schule. Man muss halt oft stundenlang auf ein Auto warten, das dich ins Hotel führt.

Standard: Das war das Positive. Mit der Bühne Daviscup wird es nichts. Sie gelten als nicht teamfähig, die Kollegen lehnen Sie ab. Kapitän Gilbert Schaller schloss sich der Mehrheit an. Nachvollziehbar?

Köllerer: Der Daviscup gehört auch zum Positiven, ich erspare mir Strapazen. Die Reise im September nach Chile wäre nur ein Kraftakt.

Standard: Aber es geht doch eher ums Prinzipielle.

Köllerer: Okay, ich akzeptiere die Meinung. Wenn sie die Nummer zwei nicht brauchen, dann nicht.

Standard: Sie verwechseln brauchen mit wollen. Man will Sie nicht dabei haben. Es sind keine sportlichen, sondern ausschließlich menschliche Bedenken?

Köllerer: Ist mir auch egal. Ich habe eine Marschroute, ich bin wie ich bin, werde nicht zu einer Marionette für den Verband oder den Herrn Schaller. Ich muss mich für keinen Menschen der Welt verstellen. Das Einzige, was ich getan habe, war, dass ich an mir hart gearbeitet habe. Auch mental.

Standard: Ihr Spitzname lautet Crazy Dani. Selbst ausgesucht? Und wie verrückt sind Sie?

Köllerer: Im ersten Jahr bin ich von Platz 1100 auf 180 geklettert, das war verrückt. Und crazy kommt bei den jungen Fans an, da könnte man später sogar einen Comic draus machen. Das war die Überlegung. Ich bin sicher crazy und durchgeknallt. Aber so wie ich dargestellt werde, ist es nicht. Da wird überall ein Schäuferl nachgelegt. Oft sind es wirklich nur Mücken und keine Elefanten.

Standard: Sie provozieren, beleidigen Gegner, zertrümmern Rackets, beschimpfen Ballbuben. Vor drei Jahren bezeichnete Sie ein Trainer eines italienischen Spielers als tickende Zeitbombe. Stefan Koubek sprach Ihnen Intelligenz ab.

Köllerer: Auf das Niveau lasse ich mich nicht herab.

Standard: Die ATP hat Sie aufgrund von Disziplinlosigkeiten zweimal gesperrt, heuer in Wimbledon wurde wegen des Verdachts des Wettbetrugs ermittelt. Warum immer der Köllerer?

Köllerer: Gegen Christophe Rochus, einen der ruhigsten Typen, wurde auch ermittelt. Rausgekommen ist nichts. Koubek wurde bei den French Open disqualifiziert, ich habe bei YouTube den Namen Melzer eingegeben, da wird auch einiges ausgespuckt. Wir sind alle keine Kinder von Traurigkeit.

Standard: Spielen wir Psychiater. Sie zucken öfter als andere aus. War irgendetwas in der Kindheit? Oder leiden Sie am Tourette-Syndrom und können gar nichts dafür?

Köllerer: Das Tourette-Syndrom ist auszuschließen. Ich lebe in der Gegenwart und schaue in die Zukunft. Was war, kann ich eh nicht ändern. Ich habe teilweise Aktionen geliefert, die nicht okay waren. Aber man sollte akzeptieren, das ich mich gebessert habe und Leistung bringe. Meine verstorbene Mutter hat sich für mich, wenn ich auf dem Tennisplatz gestanden bin, manchmal fast geniert. Aber sie ist immer hinter mir gestanden. In der Kindheit ist nichts schiefgelaufen.

Standard: Ein gewisses Aggressionspotenzial ist Bedingung für den Spitzensport. Können Sie es nicht richtig steuern?

Köllerer: Jetzt schon. Ich bin ein Talent, das viel arbeiten muss.

Standard: John McEnroe war ein ziemliches Häferl. Ist er Ihr Vorbild?

Köllerer: Nein, ich muss Sie enttäuschen. Eher Rios, Ivanisevic und vor allem Federer.

Standard: Empfinden Sie nicht Sehnsucht, gemocht zu werden?

Köllerer: Ich bin, wie ich bin. Schulterklopfer habe ich so auch.

Standard: Tennis gilt als nobler Sport. Wäre nicht ein wenig Diplomatie angebracht, zum Beispiel bei der Suche nach Sponsoren?

Köllerer: Ganz ehrlich, auch wenn es arrogant klingt. Ich spiele gut Tennis, schaue nicht schlecht aus, also kann man mich sicher vermarkten. Dass ich Ballbuben angeschrien habe, tut mir aber leid.

Standard: Die US Open stehen an. Ihre Erwartungen?

Köllerer: Endlich ein Match bei einem Grand Salm gewinnen.

Standard: Haben Sie eigentlich Kontakt zu Federer oder Nadal?

Köllerer: Vor vier Jahren habe ich mit Federer trainiert, am nächsten Tag hat er mich eingeschlagen. Wir waren Mittagessen. Federer weiß, wer der Köllerer ist. Mit Nadal habe ich noch kein Wort gesprochen.

Standard: Ist die Tour voll von Egozentrikern?

Köllerer: Nein. Die am meisten erreicht haben, sind die Normalsten. (Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe 29.08.2009)