Der Augartenspitz soll einem neuen Konzerthaus für die Wiener Sängerknaben weichen. Bereits Anfang Juli hatten Aktivisten den Platz mit einem Zeltlager in unmittelbarer Nähe zum Österreichischen Filmarchiv besetzt, um Probebohrungen für das umstrittene Sängerknaben-Projekt zu verhindern. Das Lager wurde nach einigen Tagen durch einen Einsatz der Polizei-Einheit Wega geräumt. Seit Sonntagabend ist der Augarten-Spitz wieder besetzt. Wir haben uns das Demonstrantenleben des Josefinischen Erlustigungskomitees einmal angeschaut.

Als wir im Augarten ankommen wird uns Kaffee aus der notdürftig eingerichteten Küche angeboten, und Rainer S. ist der erste mit dem wir ins Gespräch kommen. Rainer ist selbstständiger Unternehmer und hat sich für die Protestaktion freigenommen. Er erzählt uns: "Auch alle Anrainer sind dagegen, sogar die Leser der Kronen Zeitung, die hauptsächlich negativ über uns berichtet, waren bei einer Umfrage mehrheitlich dagegen...."

Das Josefinische Erlustigungskomitee will in seinem Namen den eigentlichen Zweck des Augartens widerspiegeln, den Josef der II. zur Erlustigung seiner Untertanen gestalten ließ, erklärt er uns weiter. Diesen Zweck will das Kommitee erhalten: "Wir hoffen dass es Impulse von Rathaus und Bürgermeister gibt, um eine Lösung zu finden."

Obwohl sie sich selbst nicht gern so bezeichnet, werden wir an Raja Schwahn-Reichmann als Chefin verwiesen, sie macht klar: "Wir sind keine arbeitslosen Berufsdemonstranten, wie das manche politische Lager behaupten, wir sind sehr kulturell tätige Menschen." Sie schwärmt für diesen Platz und alles was hier wächst:" Es ist zynisch, dass etwas, das allen gewidmet wurde wieder zurückgenommen wird."

Sie wollen versuchen den Ort schön zu halten, fährt Raja fort. Überreste der Probebohrungen wurden wieder verdeckt, und das Planschbecken soll verhindern, dass die Absperrungen, die Raja und ihre Unterstützer zur Seite geschafft haben, allzu schnell wieder aufgestellt werden. "Wir wollen nicht, dass es hier nur privat ist, sondern für alle, vor allem für Kinder."

Bei Baubeginn würde die Rodung aller Bäume im besetzten Bereich unumgänglich sein, sie sind mit Schleifen und Schildern gekennzeichnet.

Die Demonstranten werden durchgehend von zwei Securities überwacht:" Die rufen alle zwei Tage die Polizei. Die schauen sich dann alles anu und gehen wieder, weil sie sehen, dass alles mit rechten Dingen zugeht", erzählt Rainer.

„Wir haben sehr wohl Respekt gegenüber den Maßnahmen der Gegenseite. Wir wollen das ganze friedlich abwickeln und auch nichts demolieren.", so Raja Schwahn-Reichmann.

 

Raja wirkt gestresst und wird immer wieder angerufen. Bei den Securities habe man aufgeschnappt, dass für halb fünf Uhr morgens bereits eine Räumung geplant gewesen wäre und erwartet eine solche deswegen jeden Moment, erklärt sie.

 

 

"Ein naturbelassener Ort ist kein velassener Ort."

„Das ganze Projekt ist ein Hohlkörper, ein Profilierungsdefizit des Sponsors im kulturpolitischen Bereich. Pühringer will sich damit ein Denkmal setzen, für das "Geschenk" an die Wiener Sängerknaben galt die Bedingung, dass er Generalsponsor wird.", so Schwahn-Reichmann weiter.

„Grundsätzlich demonstrieren wir natürlich nur friedlich, in keinster Weise aggressiv. Aber wenn notwendig würden wir uns auch selbst als lebende Schilder vor die Bäume stellen."

 

 

Das Bedürfnis nach einem Konzertsaal für die Wiener Sängerknaben sei ebenfalls nicht gegeben, weder von den WienerInnen noch von den Sängerknaben selbst, meint Schwahn-Reichmann. Es wären auch den Standort betreffend genügend vernünftige Alternativen von ihnen vorgeschlagen worden.  "Wir wollen den Augartenspitz nicht für uns besetzen, er ist für alle da. Es finden hier auch Geburtstagsfeiern statt und am Mittwoch um 10.30 Uhr gibt es ein Prominentenfrühstück mit Erhard Busek - der ja als neuer Baumpate fungiert -  zu dem natürlich alle herzlich eingeladen sind."

Bürgermeister Häupl hat sich am Dienstag als Mediator angeboten. Der Bescheid für Probebohrungen ist ebenfalls seit Dienstag gültig. Sängerknaben-Präsident Nettig kritisiert:"Mit Menschen, die die Grundregeln einer Demokratie nicht einhalten, kann man sich schwer an einen Tisch setzen. Die Polizei wolle man aber nicht zur Räumung des Geländes aufforden. (inho/kad; derStandard.at, 25.08.2009)