ZUR PERSON:
Martin Kreutner (44) ist seit der Gründung des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA) im Jahr 2000 dessen Leiter. Davor war er als Bundesheeroffizier unter anderem bei den Gebirgsjägern. Mittlerweile gilt der Jurist aus Tirol international zu den längstdienenden Korruptionsfahndern.

Foto: STANDARD/Corn

Standard: Fahndet das Büro für Interne Angelegenheiten nach dem Whistleblower, der mit der Weitergabe von Akten an den "Falter" die Justiz-Causa ausgelöst hat?

Kreutner: Zu laufenden strafrechtlichen Causen kann ich keine Auskunft geben.

Standard: Theoretisch könnten auch Sie die undichte Stelle sein. 

Kreutner: Wenn ich es wäre, müsste ich mich für befangen erklären. Aber ich kann Sie beruhigen, ich kann es nicht sein.

Standard: Aber ein Motiv hätten Sie: Es muss doch frustrierend sein, wenn nur rund ein Viertel aller BIA-Ermittlungen zu Gerichtsprozessen führen. Im Fall der „Soko-Maut" (siehe Artikel unten) wurden mehr als 600 Polizisten wegen illegaler Annahme von Trinkgeldern aufgedeckt, aber die Staatsanwaltschaft stellte die langjährig gepflegte Bestechung als zu geringfügig ein. 

Kreutner: Sie werden es nicht schaffen, mir ein falsches Geständnis abzuringen. Ich will aber nicht verhehlen, dass sich die Begeisterung in Grenzen hält, wenn nach monatelangen Ermittlungen nichts herauskommt. Als Jurist hat man dabei natürlich auch eine eigene Meinung. Aber wir müssen die Entscheidungen akzeptieren, auch, wenn es in Einzelfällen wehtut. Ich möchte aber betonen, dass wir mit vielen Staatsanwaltschaften sehr gute Erfahrungen haben.

Standard: Erfahren Sie, warum ein Verfahren eingestellt wird?

Kreutner: Wir bekommen in der Regel Verständigungen mit der entsprechenden Gesetzesstelle als Begründung oder kurze Mitteilungen wie „Tatbestand liegt nicht vor". Sogenannte Tagebuchauszüge und Revisionsberichte mit detaillierten Erörterungen gehören ausschließlich zum internen Schriftverkehr des Justizministeriums.

Standard: Wünschen Sie sich mehr Transparenz?

Kreutner: Transparenz ist gerade bei der Korruptionsbekämpfung wünschenswert und essenziell. Die Antwort ist also generell: Ja.

Standard: Prinzipiell kann jeder Bürger bei den Behörden Missstände aufzeigen. Brauchen wir zusätzlich spezielle Hinweispostkasten?

Kreutner: Sogenannter Whistleblower-Schutz ist ein zentrales Element in der Korruptionsbekämpfung. Leider wird er häufig mit dem Schmetterargument ,Vernaderer darf man nicht schützen‘ abgelehnt. Whistlerblowern geht es aber darum, einen regelkonformen Zustand wiederherzustellen. Dafür sollten sie vor möglichen sozialen und anderen Nachteilen geschützt werden. In einigen, auch europäischen Ländern ist es bereits möglich, per Internet anonym mit Staatsanwälten oder Ermittlungsbehörden zu kommunizieren. Das deutsche Landeskriminalamt Niedersachsen etwa arbeitet erfolgreich mit einem Tool namens ,Business Keeper Monitoring System‘. Erst kürzlich führte dort ein anonymer Hinweis zur Aufklärung eines mutmaßlichen Korruptionsfalles im Rathaus von Celle. 

Standard: Aber wie unterscheidet man einen berechtigten Alarmpfiff von einer gemeinen Unterstellung?

Kreutner: Bei derartigen Internet-anwendungen müssen sich Hinweisgeber von Anfang an durch Kontrollfragen klicken. Letztendlich müssen aber die Behörden entscheiden, was ernst zu nehmen ist. Der Vorteil ist, dass über längere Zeit kommuniziert werden kann, auch dann, wenn zum Beispiel die Suppe zu dünn erscheint.

Standard: Warum gibt es nicht mehr Whistleblower?

Kreutner: Die Leute haben grundsätzlich Angst, sich zu outen. Dabei geht es in unseren Breiten ganz selten um Leib und Leben, sondern um soziale Kontakte, dass gemobbt oder dienst- und arbeitsrechtlich verfolgt wird. 

Standard: Das BIA im Innenministerium ist per Weisung weisungsfrei gestellt. Aber Weisungen des Justizministeriums können Ihre Arbeit sehr wohl beeinflussen, weil die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft ja seit 2008 bei den Ermittlungen das Sagen hat. Verfassungsrechtlich dürfte es diese Ressortoberhoheit gar nicht geben.

Kreutner: Dazu gibt es eine breite juristische Fachdiskussion, und zwar auch im Ausland. Faktum ist, dass internationale Konventionen zur Korruptionsbekämpfung „Necessary Independence", also einen größtmöglichen Unabhängigkeitsgrad für alle betroffenen Stellen, vorschreiben. Ein europaweites Standardmodell, das alle Probleme löst, ist noch nicht erfunden und wäre nobelpreisverdächtig. 

Standard: Aus dem BIA wird 2010 ein Bundesamt gegen Korruption. Soll es direkt der Korruptionsstaatsanwaltschaft unterstellt werden?

Kreutner: Mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft haben wir einen Partner, den wir uns schon jahrelang gewünscht haben. Dennoch bin ich persönlich klar gegen ein Verschmelzungsmodell. Es würde gegen die 150 Jahre alte Rechtssystematik in Österreich verstoßen. Das Vier-Augen-Prinzip würde auf ein Zwei-Augen-Prinzip gestutzt. (Michael Simoner, DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2009)