Alexandra, Alex, Miriam und Nico (von links): Leben auf dem Wagenplatz ist für sie bewusst gewählte Lebensform, keine Geldfrage. Der Nachteil: Das Eigenheim steht nie auf festem Grund.

Foto: Standard/Andy Urban

Wien - "Ich möchte endlich wieder ein geregeltes Leben haben", sagt Alexandra. Sie ist 21 Jahre alt und studiert Geschichte. "Ich möchte wissen, wo ich nächste Woche sein werde, eine Dusche bauen und zur Ruhe kommen." Alexandra wohnt auf dem Wiener Wagenplatz, einer Mischung aus WG und Campingplatz: ein unbebautes Grundstück, auf dem Menschen ihre alten Busse oder Lkws abstellen und darin wohnen. In Deutschland gibt es rund 100 solcher Siedlungen, in Österreich nur eine.

2007 mieteten rund 20 Leute, darunter Alexandra, ein Grundstück in Simmering und stellten ihre Wagen auf. Dann kam die Baupolizei und erklärte die Autos zu Bauwerken. Da das Grundstück nicht als Bauland gewidmet ist, musste die Truppe Ende Juli gehen. Dreimal sind sie inzwischen umgezogen, jetzt haben sie sich geteilt: in eine "Naturgruppe" und eine "Stadtgruppe". Die Naturgruppe steht gerade auf der Hafenzufahrtsstraße. Die Stadtgruppe hat auf einem Parkplatz an der Litfaßstraße unter der Südosttangente Halt gemacht - bis der Besitzer sie vertreibt.

Der Boden des Parkplatzes ist nicht asphaltiert. Zerbrochene Holzkisten, ein verrosteter Auspuff und Glasflaschen liegen herum. Wenn ein Lkw über die Autobahn fährt, bebt die Erde. In der Mitte des Grundstückes stehen die Wagen im Kreis - wie in einem Western.

Acht Leute wohnen derzeit dort. Die Jüngste ist 21, der Älteste 42. Zwei studieren, die anderen arbeiten. Alle sagen, sie könnten sich auch eine Wohnung leisten. "Im Wagen wohnen ist nicht so billig. Müllabfuhr, Reparaturen - mit 350 Euro im Monat musst du rechnen", erklärt Niko (26) Mechaniker.

Mobiles Zuhause 

Er wohnt in einem Lkw auf 18 Quadratmetern. Auf der Ladefläche hat er sich ein Hochbett und eine Werkzeugbank gebaut, Kleider, Bücher und Starterkabel liegen in Taschen herum. Im Sommer ist Nico in Wien, im Winter fährt er in sein "Haus" nach Portugal.

Alexandra liebt am Wagenleben, "dass hier nicht alles selbstverständlich ist. Strom, Wasser, Isolierung, du musst dich um alles selber kümmern." Für sie und die anderen ist der Platz nicht nur ein Ort zum Wohnen. "Wir wollen daraus einen Fixpunkt der Wiener Kulturszene machen. Mit Theateraufführungen, Konzerten, Lesungen."

In Simmering hatten sie es leichter, es gab Strom und Wasser. Hier kommt der Strom aus Lkw-Batterien, das Wasser aus Flaschen. 20 Meter von der Wagenburg entfernt steht ein Mobilklo. Die MA 48 kommt regelmäßig vorbei und pumpt den Tank aus. In den meisten Wagen stehen Holz- oder Gasöfen zum Kochen und Heizen. Duschen und Wäschewaschen müssen die Bewohner bei Freunden.

Dass sie bisher keinen anderen Platz gefunden haben, liegt für Alexandra "am mangelnden Willen" der Stadt. Christiane Daxböck, Sprecherin von Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig, weist das zurück. "Wir wollen einen Wagenplatz ermöglichen", sagt sie. Die Stadt hat den Wagenplatz-Leuten einen Grund in Donaustadt angeboten, 3200 Quadratmeter für 22.000 Euro Miete im Jahr. "Zu klein und zu teuer", befindet Alexandra, vor allem, weil sie noch einmal 30.000 Euro investieren müssten, um Strom und Wasser einzuleiten. "Außerdem war eine viel geringere Miete vereinbart, dann hat sich die FPÖ über uns aufgeregt, und plötzlich hat es so viel gekostet."

"Verschwinden werden wir nicht", sagt Alexandra. "Wir finden schon einen Ort. Und wenn wir auf dem Heldenplatz stehen müssen." (Tobias Müller, DER STANDARD - Printausgabe, 24. August 2009)